Von Ohren- und Liebesschmerzen. (DR) Karl Heidemann verfügt schon bei seiner Geburt über ein so ausgezeichnetes Gehör, dass ihm seine Umgebung ungewollt Schmerzen zufügt, denn sie ist zu laut. Der Stille gilt daher seine Sehnsucht, und der Tod als absolute Stille ist seine kindliche Vorstellung von ewigem Frieden. So erlöst er einige seiner Mitmenschen schon in jungen Jahren von ihrem irdischen Dasein. Auf der Flucht lernt er eine stumme junge Frau kennen, für die beiden ist es Liebe auf den ersten Blick. Einen Menschen, der durch sein übersensibles Sinnesorgan zum Serienmörder wird, kennt man von Patrick Süskinds "Das Parfüm" (1985). Dass jemand gut hören kann und bedingungslos liebt, von Robert Schneiders "Schlafes Bruder" (1992). Mit Karl Heidemann hat Thomas Raab einen Protagonisten geschaffen, bei dem man nicht weiß, ob man ein Monster wie bei Süskind oder einen Helden wie bei Schneider vor sich hat, wie sehr man mit ihm sympathisieren darf oder Verständnis für seine Taten haben kann. Thomas Raab hat sich nach sechs erfolgreichen Krimis um den sympathischen Restaurator Willibald Metzger nun in ein völlig anderes Gebiet vorgewagt, und er macht das großartig. Wenn da nicht die Sprache wäre. Kurze Sätze. Verbverbot. Adjektivschwund. Wie bei Bernhard Aichners "Totenfrau" (2014). Spannungssteigernd? Ein Zugeständnis an die Smartphone-Generation? Alles verknappend? Schade. Inhaltlich jedoch eines der interessantesten Bücher der letzten Jahre, mit sehr Nachdenklichem zum Thema Euthanasie. *bn* Michael Wildauer
Medium erhältlich in:
2 KÖB St. Peter und Paul Eslohe,
Eslohe
Personen: Raab, Thomas
Raab, Thomas:
Still : Chronik eines Mörders / Thomas Raab. - München : Droemer, 2015. - 357 S.
ISBN 978-3-426-19956-5 fest geb. : ca. ? 20,60
Schöne Literatur - Signatur: Raab - Buch