Annotation: Zwei parallel geführte Erzählstränge über einen bergsteigenden Lehrer und ein Mächen mit Vorliebe für Todesarten kommen nur im Kopf der Lesenden zusammen. Rezension: Der Rabe hat möglicherweise als Schatten auf Seite 113 seinen ersten Auftritt, sicher jedenfalls auf Seite 151. Ob er uns an E. A. Poe denken lassen soll oder an einen Geier, ist ungewiss. Der ihn sieht, ist jedenfalls der Protagonist des einen Erzählstrangs, der von einem Deutschlehrer erzählt, der im Winter in den Ennstaler Alpen eine eher schwierige Tour (Schwierigkeitsgrad 6 und darüber) geht und neben diversen Ausrüstungsgegenständen auch ein Gewehr bei sich trägt, ein Matchgewehr von Weatherby um genau zu sein. Und das sollte man bei Hochgatterer. Hinter sich weiß er ein gescheitertes bürgerliches Leben, viele Bergtouren und hinter sich wähnt er seine LehrerkollegInnen und diverse Sicherheitsbeamte. Das Gewehr wird nicht benützt, zumindest wird davon nicht erzählt. Haut und Knochen gehören neben Todesvarianten zu den bevorzugten Gegenständen des Nachdenkens der 13-jährigen Valentina, ihr ist der zweite, parallel geführte Erzählstrang gewidmet. Haut und Knochen, Insektenvernichtungsmittel und Geruchsbeseitiger. Das Mädchen lebt allein mit ihrem Kater Ratajczyk, benannt nach einem Fußballspieler (vormals Rapid, jetzt Austria um genau zu sein, und Genauigkeit…), und erzählt uns minutiös, detailversessen und sehr distanziert von ihrem Alltag, von der Schule hauptsächlich, den Wegen dorthin und zurück nach Hause. Von MitschülerInnen und LehrerInnen. Vom Einkaufen. Und von Annette, einer behinderten Frau, die sie be- und deren Bankomatkarte sie veruntreut. Der Bergsteiger war ihr Deutschlehrer. Was die beiden verbindet, ist unserer Phantasie überlassen, wer oder was in der Wohnung des Mädchens verwest, wozu sie Holzkitt braucht, warum sie einmal eine Schleife um den Bauch hatte und Georg Friedrich Händel zitiert auch. Ob der Lehrer tatsächlich verfolgt wird oder bloß durchgeknallt ist - und in beiden Fällen: wenn ja warum - bleibt unserer Phantasie überlassen. "Für die bösen Kinder und die schlechten Lehrer" lautet die Widmung des Autors, der in einem Interview behauptet, die "ganze" Geschichte zu kennen. Und im einem Gespräch sagt: "Zwischen 10 und 18 geht es für das Kind darum, die Eltern zu 'erledigen'. Das wird und wurde immer mithilfe der Lehrer getan. Dazu braucht man gute, aber auch schlechte Lehrer." Mehr kann nicht gesagt werden. Höchste Empfehlung für gute und schlechte LehrerInnen, brave und böse Kinder, Bergsteiger und Biologen, phantasiebegabte LeserInnen, und alle, die am Phänomen literarischer Spannung und wie man sie erzeugt interessiert sind. Höchste Empfehlung für alle. Lesetipp
Medium erhältlich in:
2 Öffentliche Bücherei Sitzenberg-Reidling,
Sitzenberg-Reidling
Personen: Hochgatterer, Paulus
Hochgatterer, Paulus:
Über Raben : Roman / Paulus Hochgatterer. - Wien : Deuticke, 2002. - 235 S.
ISBN 978-3-216-30629-6 fest geb. : ca. € 19,90
Romane, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR Hochg - Buch