Über die Kunst, Bücher nicht zu lesen und trotzdem gebildet zu sein.
Schon der provokative Titel des Buches macht sehr neugierig, zielt er doch auf eine (fast immer geheim gehaltene) Angst von vielen Menschen, ganz besonders aber von Literaturfreunden, über Bücher Auskunft geben zu sollen, die sie gar nicht gelesen haben. Oder die sie nur angelesen oder quergelesen haben oder über die sie nur von anderen etwas gehört haben. Aber schnell bemerkt man bei der Lektüre dieses Buches, dass dieser so verführerische Titel natürlich auch in die Irre führt, wenn man sich davon eine Art Ratgeber zum Nicht-Lesen erwartet. Der Autor, Literaturprofessor und Psychoanalytiker, hat natürlich sehr viel gelesen und lockt die neugierigen Leser mit großer intellektueller Raffinesse in die Welt des Lesens. Um den Sinn und angesichts der gewaltigen Menge an jemals produzierter Literatur auch die Notwendigkeit des Nicht-alles-lesen-Könnens zu begründen, muss man bereits einiges gelesen haben. So zitiert der Autor in jedem Kapitel, in denen für das gekonnte(!) Nicht-Lesen plädiert wird, ausführlich andere Autoren als Gewährsleute für seine Thesen (Musil, Umberto Eco, Marcel Proust usw.). Für Viel-Leser bietet das Buch tatsächlich eine intelligente und unterhaltsame Möglichkeit, sich von quälenden Gewissensbissen im Umgang mit dem eigenen literarischen Nicht-Wissen zu befreien. Wer wenig oder überhaupt nicht liest, muss sich immerhin aufraffen, dieses Buch zu lesen - und damit ist er schon in die Welt der Leser eingetreten. Also ein Buch, dem in jedem Fall sehr viele Leser zu wünschen sind!

---

Personen: Bayard, Pierre