Rezension
Manch ein Roman zum Tabuthema Tod scheitert auf hohem Niveau, weil Angst als dominantes Parallelthema solche Paukenschläge in der Handlung setzt, dass die leiseren Pianostellen des Sterbens untergehen. Lenze (vgl. zuletzt "Archanu", BA 10/08) kennt sich aus mit den Ritualen des Abschiednehmens und traut sich, die Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven zu Ende zu denken. Ihr starkes Debüt ("Schwester und Bruder", BA 1/04) etwa wirft einen eigenwilligen Blick auf ein vom Leben beschädigtes Geschwisterpaar und die Art, wie das Verschwinden der Kindheit als Trauma des Verlustes bis ins Erwachsenenalter nachwirkt. Im jüngsten Werk der Autorin findet dieses Motiv ein Echo. Ich-Erzählerin Ariane wird durch ein Unglück aus der Bahn geworfen: Weil ihr Vater bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist, muss sie nicht nur die Vaterfigur loslassen, sondern auch das späte Ende ihrer Kindheit akzeptieren. Lenze erzählt behutsam von der Vereinsamung ihrer Protagonistin, die in ihrem Umfeld auf wenig Geduld und Verständnis für ihre Trauer stößt. Ein bemerkenswertes Buch, empfohlen ab mittleren Beständen.
Personen: Lenze, Ulla
LENZ
Lenze, Ulla:
¬Der¬ kleine Rest des Todes : Roman / Ulla Lenze. - 1. Aufl. - Frankfurt am Main : Frankfurter Verl.-Anst., 2012. - 155 S. ; 21 cm
ISBN 978-3-627-00179-7 fest geb. : EUR 18.90
LENZ - sch. Lit.Erw