Jahrelang schleicht die geprüfte Leserschaft immer wieder am Kitsch-Regal entlang, ehe es dann doch einmal zu einer Stichprobe reicht, um zu testen, ob der von außen vermutete Kitsch auch wirklich im Buchinnern Kitsch ist. Andrea Eichhorn bedient in ihrem Roman "Liebesglück in Tirol" durchgehend Klischees und es rutscht ihr auch nie die Hand aus, dass etwas Überraschendes auftauchen könnte. Selten hat ein Lektorat so glatte Arbeit geleistet und auch die kleinste Falte aus dem Text gebügelt. Und auch das Cover ist beinahe klebrig schön, eine Frau im Sepplgewand und ein Mädchen mit Zöpfen hecken vielleicht einen schönen Spruch aus, während im Hintergrund ein Blumen-bewehrtes Holzhaus alles abdeckt, was nicht pure Landschaft und schön ist. Kurzum, Liebesglück in Tirol lässt sich so schön an, dass man damit eigentlich nichts zu tun haben will. Die in sich und im Fremdenverkehr gereifte Pensionsbetreiberin Rosa kriegt im Sekundentakt Emails von ihrer Stammkundschaft, ob noch eine Suite frei ist. Die einen wollen sich in Kitzbühel erholen, die anderen brauchen einen Geschlechtsverkehr, wenn möglich mit anschließender Hochzeit. Jetzt wird allerhand Personal aufgetrieben, Frauen, die endlich die Hochzeitsglocken hören wollen in der "süßen Kirche" von Kitzbühel, und Männer, die schlank wie eine Annonce wirken, "Florian, Maschinenbauingenieur aus Nürnberg". (56) Nun kann es losgehen. Hund Benno schnüffelt alle ab und kriegt dafür nette Zuwendung. Die eine Truppe wandert auf eine Alm, während die andere in der Pension nach dem rechten schaut. Alle sind glücklich, wiewohl die einen Personal und die anderen Gäste sind. Dann wird viel geschäkert, gekuppelt, kaum ist jemand umarmt, wird er auch schon an die nächste weitergereicht. Irgendjemand rennt mit einem positiven Schwangerschaftstest durch die Räume, aber man weiß nicht, wem man das Röhrchen zuordnen soll. Am Schluss nimmt jemand die Zukunft wörtlich und klaut Geld aus der Portokasse, damit man damit eine schöne Hochzeit machen kann. Aber Rosa hält alles zusammen und unter der Erholungsdecke, die Gäste verlassen faltenfrei und unzerknittert Tirol und gehen wieder aufs Cover. Schon wieder kommen Emails, es wird neues Liebesglück in Tirol geben! Man sagt ja, dass man die Drogen nehmen muss, wenn man sie verstehen will. Diese knalligen Glücksromane sind freilich eine harte Droge und reichen meist für das ganze Leben. Wenn wieder einmal diskutiert wird, wofür wir als Öffentliche Bibliotheken Leseförderung betreiben - natürlich nicht für solche Literatur. Aber wenn sie jemanden in die Hände rutscht, weil das ganze wie ein Buch ausschaut, dann soll es auch geschehen. Schließlich sind ja auch viele hoch gerühmte Bestseller nichts anderes als ein Liebesglück aus Karton. Helmuth Schönauer
Personen: Eichhorn Andrea
Eichhorn Andrea:
Liebesglück in Tirol : Roman / Andrea Eichhorn. - Rosenheim : Rosenheimer, 2015. - 270 S.
ISBN 978-3-475-54424-8 : ca. EUR 14,95
Schöne Literatur - Signatur: SL Eich - Buch