Briefwechsel zweier Frauen über das Älterwerden:
Liebe Ann -
bevor alte Menschen völlig emanzipiert und als solche in die Gesellschaft Integriert sind, wird wohl noch viel Zeit vergehen. Es würde voraussetzen, daß man sich selbst annähme - und damit tue ich mich ziemlich schwer. Ich sehe mich so, wie mich ein Unbeteiligter betrachten würde: alt, ein bißchen verschrumpelt. Was? Du willst noch mitmischen? Na, hör mal!
Das wäre ja weiter nicht tragisch, wenn ich mir nicht selbst all der Gebrechen und Mängel bewußt wäre, mit denen ich zu kämpfen habe.
Es geht los bei ganz harmlosen Dingen; da flattert mir zum Beispiel die Einladung zu einer kleinen Feier auf den Schreibtisch - »U. A. w. g.«* Meine erste Reaktion ist Freude: Ach ja, wie nett! Leute treffen, denen man sonst nur selten begegnet ...
Doch dann: Was - um Himmels willen - soll ich da! Freut sich überhaupt jemand, wenn ich komme? Außerdem hat mich die Erfahrung gelehrt, daß ich mich auf Parties zumeist todunglücklich fühle.
Ich sage also ab, und nachher tuts mir leid.
Personen: Biegel, Anne
Biegel, Anne:
Wo ist denn meine Brille? : Briefwechsel zweier Frauen über das Älterwerden. - München : Dt. Taschenbuch-Verl., 1996. - 208 S. ; 20 cm. - Lizenz des Salzer-Verl., Heilbronn
ISBN 978-3-423-25100-6 kart. : kart. : DM 12.90, S 95.00
Großschrift für alle Notationen - Signatur: Groß Biege - Buch