Die Suche einer Kindergruppe nach einem verlorenen Hund gerät zu einer gesellschaftskritischen Dystopie. (ab 14) (DR) Es ist ein ungewöhnlich heißer Sommer, als kurz vor den Schulferien der kleine Hund Power, der einer alleinstehenden Dorfbewohnerin namens Hitschke gehört, spurlos verschwindet. Das 11-jährige Mädchen Kerze, das sich von "grauen Geistern" bedrängt glaubt, verspricht ihr, den Hund zu finden. Ihr selbstgewählter Name "Kerze" steht für ihre vermeintliche Bestimmung, "ein Licht in dieser rabenschwarzen Welt" zu sein. Bei dieser Suchaktion entwickelt sich Kerze von einer selbstbestimmten Außenseiterin zur Anführerin von 25 Kindern, die im nahegelegenen Walddickicht gemeinsam die Suche beginnen. Bald trainieren sie unter Kerzes autoritärem Kommando ein hundetypisches Verhalten, um rascher auf die Spur des Ausreißers zu kommen, indem sie auf allen Vieren laufen, vom Boden essen, sich bellend verständigen, sich nicht mehr waschen, als Rudel gemeinsam in einem Bombentrichter schlafen und widerspruchslos auferlegte Strafen bei Nichtbeachtung der zwingend einzuhaltenden Regeln annehmen. Die Eltern der Kinder beginnen nach geraumer Zeit verhalten zu reagieren, als einzelne Familien "leergefischt" und die Kinderzimmer "ausgetrocknet" sind. Die aufgerüttelte Gemeinschaft des namenlosen süddeutschen Dorfes, das durch Abwanderung und Verwahrlosung einem wirtschaftlichen und moralischen Verfall unaufhaltsam entgegensteuert, versucht durch halbherzige Aktionen die eskalierende Situation in den Griff zu bekommen. Das führt von alptraumhaften Zuständen schließlich zum eklatanten Showdown. Der Hund wird letztendlich nach Auskunft eines stadtflüchtigen jungen Mannes bei einem steilabfallenden Felsen tot in einem Tümpel gesichtet, von Kerze schließlich auftragsgemäß zu Hitschke gebracht und begraben. So endet eine harmlose Suche nach einem vermissten Hund nicht nur in einem apokalyptischen Zerrbild einer Dorfgemeinschaft, sondern als ein postkapitalistisches, parabelartiges Lehrstück von gesellschaftlichen Verwerfungen. Ein All-Age Buch, das eine unglaublich vielschichtige, faszinierende, verstörende wie aufrüttelnde Lektüre bietet, schonungslos zu persönlichen, gesellschaftlichen wie moralischen Umdenkprozessen anregt und Verantwortung einmahnt.
Altersempfehlung: ab 18 Jahren.
Personen: Güntner, Verena
Güntner, Verena:
Power : Roman / Verena Güntner. - Köln : DuMont Buchverl., 2020. - 249 S.
ISBN 978-3-8321-8369-1 fest geb. : ca. € 22,70
Schöne Literatur - Signatur: Güntn - Buch