Es sind bekannte Geschichten, die Erich Kästner hier erzählt, die Geschichten von Till Eulenspiegel, Münchhausen, Don Quichotte, Die Schildbürger, Gullivers Reisen, um bei der Aufzählung des Titelblatts zu bleiben. Der Inhalt dieser Geschichten ist weitgehend bekannt, so dass es sich erübrigt, sie hier einzeln vorzustellen. Doch die Art, wie Erich Kästner sie nacherzählt, ist eine Erzählweise, die zu lesen Spaß macht. Es ist ein spannendes Buch zum Vorlesen und vor allem zum selber Lesen. Der Leser kann sich zunächst auch einfach die Bilder anschauen, die Walter Trier und Horst Lemke für ihn und andere Kinder gemalt haben. Es schadet auch nichts, wenn er beim Bilder anschauen nicht weiß, dass Benediktiner weiß gekleidet sind und nicht schwarz, wie auf den Abbildungen zu Don Quichotte... Schon die von Erich Kästner frei erfundenen Einleitungen zu den einzelnen Geschichten sind des Lesens wert. Auch sie sind in ihrer Diktion für Kinder gedacht, und wie man für Kinder schreibt, das weiß keiner besser als Erich Kästner. Als Beispiel soll die Einleitung zu Till Eulenspiegel stehen. Sie beginnt mit der Überschrift: 'Herrschaften!" Diese Anrede ist der Zirkuswelt entnommen und von einem Zirkusclown erzählt Erich Kästner auch zunächst, um dann diesen Clown als Till Eulenspiegel in die Welt spazieren zu lassen. In seiner Beschreibung von Till Eulenspiegel fährt Erich Kästner dann - nicht ohne Boshaftigkeit - fort: Und überall, wohin er kam, ergriff er eiligst irgendeinen Beruf, von dem er nichts verstand. Er war nacheinander Bäcker, Schuster und Schneider, Turmbläser, Wahrsager und Arzt, Schmied, Koch und Pastor, Tischler, Fleischer, Heizer und Universitätsprofessor. Zum Schluss dieser Einleitung erklärt Erich Kästner, warum er nicht alle Geschichten, die man sich von Till Eulenspiegel erzählt, vorstellen kann. Das wären zu viele, als dass sie in das vorliegende Buch hineinpassten, und ein solch dickes Buch würde für ein Kind viel zu schwer. Deshalb hat er zwölf der seltsamen Abenteuer des Till Eulenspiegel ausgesucht, um sie der Reihe nach zu erzählen. Sie werden im Buch im vorausgehenden Inhaltsverzeichnis aufgeführt. In ähnlicher Weise wie bei den Geschichten zu Till Eulenspiegel ist auch das Vorwort zu Münchhausen abgefasst. Erich Kästner weist zunächst darauf hin, dass es durchaus unterhaltsam sein kann, Lügengeschichten zu erzählen, warnt aber die Kinder, die sein Buch lesen, es selbst zu versuchen: Dass ihr mir nun also nicht nach Hause kommt und sagt: 'Denk dir, Mama, ich habe eben mit einem Auto gesprochen, und das meinte, morgen gäbe es Regen!" Durch solche Lügen wird man nicht berühmt. Versucht es, bitte, gar nicht erst. Auch diese Vorrede lässt erkennen, dass Erich Kästner seine Nacherzählungen bekannter Geschichten für Kinder geschrieben hat, obwohl es ursprünglich Fantasiegeschichten mehrerer Autoren waren, die ihren Unterhaltungswert zunächst einmal für erwachsene Zuhörer und Leser hatten. Es wäre interessant, auch die Vorworte zu den drei übrigen Geschichten näher vorzustellen, zu Don Quichotte, die Schildbürger und Gullivers Reisen, die beiden angeführten Vorreden mögen hier jedoch als Beispiel für alle im Buch enthaltenen stehen. Sie zeugen von der besonderen Art, in der Erich Kästner seine Erzählungen dem Leser nahe bringt. Auch wer glaubt, alle Geschichten schon einmal in einem anderen Buch gelesen zu haben, sollte dieses Buch zur Hand nehmen. Er wird schnell aus dem bloßen Durchblättern zum Lesen übergehen und dann das Buch nicht eher zur Seite legen, bis er alles gelesen hat. Und da es ein Buch für junge Leser ist, sei nach Art von Erich Kästner angefügt: Bitte nicht mit der Taschenlampe unter der Bettdecke lesen! *Alliteratus* Rudolf van Nahl
Personen: Kästner, Erich
Kästner, Erich:
Erich Kästner erzählt Till Eulenspiegel, Münchhausen, Don Quichotte, Die Schildbürger, Gullivers Reisen / Ill. von Walter Trier und Horst Lemke. - Hamburg : Dressler, 2010. - 317 S. : Ill.
ISBN 978-3-7915-3049-9 fest geb. : 22,95
Märchen und Sagen - Signatur: 2 Kästn - Buch