"Sonst war der Tannenkrug geschlossen, die Grenzburg hatte einen von ihren wöchentlichen 'Schließtagen'. Die Wahrheit zu sagen, war ich ja auch bloß gekommen wegen des Ausblicks vom Kamm des Heidbergs, wo ein Abhang sich öffnet, güstrower Kindern wohlbekannt als Schlittenbahn, auch dem Auge freien Weg öffnend über die Insel im See und das hinter dem Wasser sanft ansteigende Land, besetzt mit sparsamen Kulissen aus Bäumen und Dächern. Obschon ich dieses Bildes gewärtig sein zu hoffe in der Stunde meines Abscheidens, wäre ich doch verbunden für eine fotografische Ablichtung davon, gerade wenn die Sonne düstere Regenwolken zur Seite drängt." So ist es zu lesen in einem Brief, den Uwe Johnson 1982 nach einem Besuch in der DDR Heinz Lehmbäcker schreibt, der als Fotograf und als Wissenschaftsjournalist für das DDR-Fernsehen arbeitete. Lehmbäcker zieht mit seiner Kamera los und schießt das gewünschte Foto, auch wenn das Wetter nicht Johnsons Vorstellungen entspricht. Was er nicht wusste: Johnson brauchte das Bild für eine Stelle in den Jahrestagen, und also sind, der Johnson eigenen dokumentarischen Akribie gehorchend, dort die Wolken bereits verflogen.
Personen: Johnson, Uwe Lehmbäcker, Heinz
Lehmbäcker, Heinz:
Mecklenburg. Zwei Ansichten / mit Fotogr. von Heinz Lehmbäcker u. Texten von Uwe Johnson. - Frankfurt am Main : Insel, 2004. - 184 S. : Abb.
ISBN 978-3-458-17045-7 fest geb. : 19,80 Euro
D 302 - Signatur: D 302 Leh - Belletristik