Der neue Potter. Und schon hat man das Gefühl, nach Hause zu kommen: Im Zug wird wieder getuschelt, wenn man das Buch hervorholt; Partygespräche drehen sich wieder um die Motivationen der Figuren, die Wahrscheinlichkeiten der Handlungsabläufe, die (Un-) Zufriedenheiten mit den Entwicklungen in und um Hogwarts. Wir erinnern uns: Im (viel geschmähten) letzten Kapitel des 7. Bandes wurde Harry Potters jüngerer Sohn Albus Severus vom Vater am Gleis 9 ¾ begütigend verabschiedet, um 19 Jahre nach der Schlacht um Hogwarts und dem Sieg über Lord Voldemort sein erstes Jahr an der „School of Witchcraft and Wizardry“ zu beginnen. Wir setzen nun wieder dort ein – lernen jetzt aber einen verschlossenen, zornigen Sohn kennen, der sich nicht so recht einzufinden weiß in einer Welt, in deren Zentrum sein Vater steht. Auch auf Albus kommt die Entscheidung zu: Gryffindor oder Slytherin? Allerdings lautet das Ergebnis überraschend anders, als erwartet. Und der neue Freund, den Albus im Hogwarts-Express kennen lernt, konveniert ganz und gar nicht mit der Familiengeschichte: Scorpius ist der Sohn von Draco Malfoy. Joanne K. Rowling bricht also mit Kontinuitäten. Dazu gehört auch die neue Form, in der das fälschlicherweise gerne als Band 8 titulierte Buch präsentiert wird. Eine Geschichte von Joanne K. Rowling bildet die Grundlage für ein Theaterstück, das der Dramatiker John Tiffany erarbeitet und der Regisseur Jack Throne im Juni 2016 auf die Bühne des Londoner Palace Theatre gebracht hat. Wenn auch nicht im Format der Reclam-Heftchen, so hält man hier dennoch das „Special Rehearsal Edition Script“ dieses Theaterstückes in der Hand. Alles, was der Dramentext an seine Bühneninszenierung delegiert, muss dazugedacht werden. Die flexiblen Quader zum Beispiel, aus denen das Bühnenbild immer wieder neu arrangiert wird und die das ausschnitthafte, assoziative Moment zahlreicher Szenen unterstreichen. Denn das Stück kontrastiert in seinen vier Akten und vielen Szenen den Handlungsbogen des seriellen Entwicklungsromans und springt zwischen London und Hogwarts ebenso hin und her wie zwischen unterschiedlichsten Zeitebenen. Zentrales Motiv: die Zeitreise. Die Unmöglichkeit, sich mit der Biografie seines Vaters zu arrangieren, führt Albus zum Versuch, Harry Potters Biografie zu manipulieren. Zentrales Requisit des Stücks ist ein Zeitumkehrer, magisch deutlich mächtiger als jener aus „Harry Potter und der Gefangene von Askaban“. Dieserart beinhaltet die Lektüre der Bühnen-Dialoge (samt Regieanweisungen) auch auf der Handlungsebene eine Form des Nachhause-Kommens. Wie wir in den 1980er-Jahren aus Robert Zemeckis Filmreihe „Zurück in die Zukunft“ gelernt haben, führt die Veränderungen dessen, was wir als Vergangenheit begreifen zu Modifikationen der Gegenwart. Und schon wird aus der Zaubereiministerin Hermine eine toughe Rebellin. Ron und sie haben nie zusammengefunden. Figuren, von denen wir uns im Roman trennen mussten, leben noch; Harry Potter aber ist gestorben und mit ihm auch sein Sohn Albus. Begründet liegen die von Albus losgetretenen Zeit- und Wirklichkeitsverschiebungen in der titelgebenden Figur des verwunschenen Kindes. Das Rätsel um dessen Identität wird zum Handlungsmovens, die Auflösung zur Schwäche des Buches. Der motivische Umweg dorthin jedoch führt über die Familie Malfoy – und das Neu-Arrangement der Beziehung zwischen Harry und Draco zählt zu den stärksten Momenten des Theaterstückes in Buchform. Das Stück selbst ist weit ins Frühjahr 2017 hinein hoffnungslos ausgebucht.
Personen: Rowling&comma
Rowling&comma:
Harry Potter und das verwunschene Kind : Teil eins und zwei / J. K. Rowling. Nach einer neuen Geschichte von J. K. Rowling. John Tiffany & Jack Thorne. Ein neues Theaterstück von Jack Thorne. Aus dem Engl. von Klaus Fritz und Anja Hansen-Schmidt. - Hamburg : Carlsen, 2016. - 333 S.
Einheitssacht.: Harry Potter and the Cursed Child - Parts One and Two
ISBN 978-3-551-55900-5 fest geb. : ca. Eur 20,60
Zugangsnummer: 2018/0017 - Barcode: 2-2189203-3-00004065-5
Kinder-/Jugendbereich - Signatur: 3.6 Rowli - Buch