In dieser aufwändig produzierten Ausgabe schneidet Sybille Schenker den (etwas gekürzten) Hänsel-und-Gretel-Stoff scharf zu - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Ihre Technik ist der Scherenschnitt, den sie mit transparenten, teils farbigen Folien kontrastiert und so zu vielschichtigen plakativen Bühnenbildern zusammenfügt. Schenkers Wald ist damit trotz aller Schwärze zwar licht, aber geheimnisvoll: Bis zu fünf Folien legt die Illustratorin übereinander, durch deren mehrseitiges Gewirr von Ästen und Stämmen das kitschig bunte Haus der Hexe bei jedem Umblättern deutlicher durchscheint. Fotografierte Schokoladestücke zieren dann das hübsche Türmchen, das ausgesprochen harmlos vor einer lieblichen Blümchentapete platziert ist - einzig das riesige schwarze Eingangstor kündet von der Bedrohung. Die köstliche Versuchung auf Dach und Wänden aber ist bunt: so rot wie das gemusterte Kleid der Hexe (die der Stiefmutter der Kinder wohl nicht ohne Grund außerordentlich ähnlich sieht) - und so koloriert wie das Gewand von Hänsel und Gretel, das mit einem Mal an Farbe gewonnen hat. Noch einmal müssen die beiden eine wahrlich finstere Nacht durchstehen, bis die Hexe endlich lichterloh brennt. Die Farbe in ihrem neu errungenen Leben können sie sich allerdings bewahren: Fußboden, Landschaft, Haare und Kleider sind nun in Blau und Rot zart gemustert, und der blumenumrankte und von Schmetterlingen umflatterte Rückweg kündet das heimatliche Paradies schon an: Dort, auf der letzten Seite dieses Meisterstücks der Buchgestaltung, steht der überglückliche Vater ganz in Grün - und Grün ist nicht zufällig die Farbe der Hoffnung, des Lebens, der Auferstehung.

---

---

Personen: Grimm, Brüder Schenker, Sybille (Ill.)

Schlagwörter: Märchen Grimm, Brüder Gebrüder, Grimm Grimm, Jacob Grimm, Wilhelm Scherenschnitt

Interessenkreis: Kinder