Der kleine Fons ist hellwach. "Ich will in die Nacht!", denkt er. Und da zieht er schon seinen verschlafenen Vater an der Nase aus dem Bett. Und während dieser (auf den folgenden 22 Buchseiten) beteuert, dass alle, aber wirklich alle, nachts schlafen, beginnt Fons eine wundersame Reise durch nächtliche Szenerien, die gleichermaßen fantastisch wie skurril erscheinen. Wolf Erlbruch erzeugt raffiniert Spannung, indem er zwei Erzählebenen aufeinander stoßen lässt. Da ist zum einen der schlaftrunkene Monolog des Vaters, der mit geschlossenen Augen dem kleinen Fons beteuert, dass "überhaupt nichts los ist in der Nacht". Die Bilder hingegen sprechen eine andere Sprache. Fons wandelt staunend und mit hellwachen Augen durch Bildräume, die an fantastische Bühnenkulissen erinnern: leuchtend schwebt Mickey Mouse rot am Himmel, ein Gorilla nimmt ihn an der Hand und Alice aus dem Wunderland wirft ihm einen Ball zu. Viele Bildzitate sind da von versierten LeserInnen zu entdecken. Am Ende löst sich der Spannungsbogen zwischen nächtlicher Bild-Erzählung und Vaters "realistischer Weltsicht". Wieder heimgekehrt hält Fons den Ball von Alice in der Hand: Nun sind sich die LeserInnen gewiss, Fons' fantastische Nacht-Erlebnisse sind "wahrhaftiger" als der Realismus des Vaters. Erlbruch stellt hier erneut die philosophische Frage nach der Wahrheit. Paulus Hochgatterer, ein österreichischer Autor und Kinderpsychiater, würde dieses Buch mit Sicherheit allen Eltern empfehlen, denn darin können sie mehr erfahren über die Seelenwelt und Wahrnehmung des Kindes als in allen Lehrbüchern der Psychologie. Zu empfehlen ab 4 Jahren. Elisabeth Totschnig
Personen: Erlbruch, Wolf
Erlbruch, Wolf:
Nachts / Wolf Erlbruch. - Wuppertal : Hammer, 1999. - 26 S. : zahlr. Ill. (farb.) ; 15 x 18 cm
ISBN 3-87294-834-2 fest geb.
Kinderverse, Bilderbücher - Signatur: JD Erlb - Buch: Kinder/Jugend