Coole Superhelden und komische Abenteuer sind ein Erfolgsrezept, um junge Leser zwischen 8 und 12 Jahren für Bücher zu begeistern. Frank Schmeißer hat mit „Schurken machen Krawall“ schon den dritten Band um „das coolste Superheldenteam weit und breit“ veröffentlicht. Tim Collins lässt in „Harry Alien Attacke der Lehrer-Klone“ den außerirdischen Titelhelden und den Ich-Erzähler ausgerechnet in einem Müllcontainer zu verrückten Abenteuern in Zeit und Raum abheben. Und Michael Gerard Bauer schafft mit „Rupert Rau Super-Gau“ einen Antihelden zu jenem coolen Geheimagenten, der der Held von Ruperts selbst gezeichneten Comics ist. Was aus Superhelden werden kann, ist in „Birdman“ zu sehen, der vor kurzem mit dem Oscar als bester Film 2015 ausgezeichnet wurde: Michael Keaton, einst erfolgreich als Darsteller des gleichnamigen Titelhelden, versucht als Schauspieler am Broadway vergeblich seinem Image zu entkommen, das wie Pech an ihm klebt. Vielleicht liegt es nur am Eindruck dieses Films, dass man das zwiespältige Verhältnis eines Mannes im mittleren Alter zu einstigen Idolen auch aus den Romanen mancher Kinderbuchautoren herauszulesen meint. Geschrieben für jüngere Ausgaben ihrer selbst, die noch ein ungetrübtes Verhältnis zu Superhelden haben, scheinen Stilmittel wie Humor, Klamauk und Satire deutlich zu machen, dass die Verfasser diese Faszination zwar nicht vergessen haben, aber doch aus Distanz betrachten. Wobei die Supermann-Maske und das Kostüm, mit denen der 1968 geborene Frank Schmeißer auf dem Autorenfoto seines Buchs „Schurken machen Krawall“ posiert, doch wieder an Michael Keaton in „Birdman“ denken lassen. Wie schon in den ersten beiden Bänden der Reihe mit den „Unglaublichen Dreieinhalb“ sieht Ich-Erzähler Sebastian von Nervköter sich und die übrigen zweieinhalb Protagonisten als „das coolste Superheldenteam weit und breit“ und übersieht dabei großzügig, dass er meistens eher einem Elefant im Porzellanladen als Supermann im Landeanflug ähnelt. Satirisch ist auch der Blick auf die Eltern, die unter den Missgeschicken der Kinder leidend zusammenzubrechen drohen und ihren Nachwuchs gar nicht schnell genug woanders abliefern können. Auch bei der abenteuerlichen, oft in den Klamauk überdrehten Handlung legt sich der Erzähler keine Fesseln an. Zum flapsigen Stil bilden die Zeichnungen Jörg Mühles mit ihrem feinen Strich einen gelungenen Gegensatz. In ihnen hat er Metaphern in Cartoons übersetzt, deren Pointe sich ergänzend zum Text oder auch unabhängig von ihm vermittelt. Zu einer Einheit verschmelzen dagegen Text und Zeichnungen in dem ebenfalls überdrehten Comicroman „Harry Alien – Attacke der Lehrer-Klone“. Autor Tim Collins und Illustratorin Joëlle Dreidemy erzählen mit hohem Tempo vom ewigen Traum, durch Raum und Zeit reisen zu können. Ihr Witz zeigt sich etwa darin, dass ausgerechnet ein stinkender Müllcontainer neben der Schule zur Zeitmaschine wird, aber auch in ihrem Supermann-Gegenmodell, dem laaangweiligen Lehrer Mr. Watkins, den sie aus Versehen geklont haben. Von lauter Mr.-Watkins-Klonen umzingelt zu sein, ist fast noch schlimmer als ein Leben lang von Birdman verfolgt zu werden, aber natürlich finden der Ich-Erzähler und sein cooler Alien-Freund Harry eine super Lösung. Mit der Graphik eines typischen Superhelden-Buchs versucht auch Michael Gerard Bauers erster Comicroman Interesse zu wecken. Allerdings verbirgt sich hinter der wilden Typographie die einfühlsame Charakterstudie des Protagonisten: Rupert Rau hat ein phantasievolles Innenleben, das ihn zum Beispiel dazu treibt, während des Unterrichts Comics zu zeichnen, in denen Geheimagent Archie Amber auch die aussichtslosesten Situationen mühelos bewältigt. Der ausgeprägte Sinn des Autors für Situationskomik findet in ihnen genauso einen Nährboden wie auf der übergeordneten Erzählebene, wo Rupert Rau ganz im Widerspruch zu seinem erdachten Helden einen Supe-Gau nach dem anderen erlebt. Der von Ute Mihr hervorragend ins Deutsche übertragene Sprachwitz ist derart wirksam, dass die Illustrationen vom Sohn des Autors überlagert werden durch jene Bilder, die im Kopf der Leserin entstehen von Wettschwimmen in uncooler Teddybär-Schlafanzughose und durch Bauchklatscher ausgelöste Tsunamis im Schwimmbecken. Zugleich einfühlsam und humorvoll-distanziert ist der 1955 geborene Michael Gerard Bauer ein vorbildliches Beispiel für den literarischen Umgang mit dem Superhelden-Ideal.
Serie / Reihe: Rupert Rau 1
Personen: Mihr, Ute (Übers.) Bauer, Joe (Ill.) Bauer, Michael Gerard
Bauer, Michael Gerard:
Rupert Rau - Super-GAU / Michael G. Bauer. - München : Deutscher Taschenbuchverlag, 2015. - 191 S. : zahlr. Ill. - (Rupert Rau; 1). - Aus dem Engl. von Ute Mihr
ISBN 978-3-423-64009-1 fest geb. : ca. Eur 10,30
Comicromane - Signatur: JE.O Baue - Buch: Kinder/Jugend