Ein stilles Buch über das Erinnern, das Schreiben und eine Nachkriegskindheit in Wien. (DR) Ein Mann steht am Fenster, blickt hinaus, ist ein sensibler Beobachter der Welt. Einer, der viel und genau wahrnimmt, mit einem Gespür für die feinen Nuancen. Bereits als Kind bezog er seinen Beobachterposten, damals noch am Erkerfenster in dem halb zerbombten Haus im dritten Wiener Bezirk, neben ihm die geliebte Katze Murli, wichtige Begleiterin durch die Kinderjahre. Der Erzähler erinnert sich an all die Fenster, aus denen er schon blickte, und setzt eine Assoziationskette in Gang, die mühelos Gegenwart und Vergangenheit verknüpft. Und so führt der poetische Lebensrückblick in das Wien der 1940er Jahre, wo das Bewusstsein dieses verträumten Kindes erwachte. Mit großer Sensibilität beschreibt Peter Henisch die Wahrnehmung des in sich gekehrten Jungen, der sich im Umgang mit Erwachsenen sicherer fühlte als mit Gleichaltrigen. Diesen "kleinen Sohn mit dem großen Kopf", der beim Ratespiel "Wer bin ich, wer war ich?" glänzt und sein erstes selbst gemachtes Gedicht mit mäßigem Erfolg seinen Verwandten vorträgt (was an den Verwandten und nicht an ihm liegt), glaubt man bereits aus den Erinnerungsbüchern "Die kleine Figur meines Vaters" und "Eine sehr kleine Frau" zu kennen. Mit einem Augenzwinkern kommt Peter Henisch auf die Verschränkung von Fiktion und Realität, auf die Nähe zu seinen Protagonisten, die häufig Peter oder Paul heißen und Rückschlüsse auf die eigene Biografie provozieren, zu sprechen. Er lässt dabei aber manches sehr raffiniert in der Schwebe. Schließlich gehe es darum, "das Wesentliche wiederzugeben, nicht nur die sogenannte Wirklichkeit." (S. 196) Immerhin erwähnt sein Alter Ego, dass er an "so etwas wie einer Autobiografie" (S. 176) arbeite. Auf einer Metaebene wird demnach der Entstehungsprozess eben jener Zeilen mitgedacht, die man gerade liest. So ist Henischs "Suchbild mit Katze", das für den Österreichischen Buchpreis nominiert war, ein Buch über Kindheitserlebnisse in der Nachkriegszeit, über die Sozialisation eines Dichters, aber vor allem eine Auseinandersetzung mit dem Schreiben. Und offeriert ganz nebenbei einen Streifzug durch Henischs Werk. Eine empfehlenswerte Lektüre, die sich zum gemeinsamen Austausch in Literaturgesprächskreisen anbietet. Für alle Büchereien!
Personen: Henisch, Peter
Henisch, Peter:
Suchbild mit Katze : Roman / Peter Henisch. - Wien : Deuticke, 2016. - 203 S.
ISBN 978-3-552-06327-3 fest geb. : € 20,60
Gesellschaft-, Liebes- und Eheromane, Frauen und Familienromane - Signatur: DR.G Heni - Buch: Dichtung