Augenblicke, in denen das Leben stillsteht "In manchen Momenten steht das Leben still, und plötzlich ist alles anders als zuvor: Ein Unfall, ein Unglück, eine Diagnose, eine Krankheit, die das Leben von Grund auf verändert." So steht es am Beginn des Klappentextes dieser außergewöhnlichen Publikation, die allen gewidmet ist, die in schwierigsten Lebenssituationen zu ihrem persönlichen Trotzdem gefunden haben, einem Trotzdem, das Mut, Lebensfreude und Zuversicht ausstrahlt. Christine Haiden hat mit unterschiedlichsten Menschen, die das Schicksal mit extremen Härten konfrontiert hat, Kontakt aufgenommen, sie besucht und Gespräche mit ihnen geführt. Die Fotos von Petra Rainer, die Stimmungen, Wesenszüge und Eindrücke einfangen, wurden später gemacht. Insgesamt sind es 20 Begegnungen, zu denen wir in diesem Band mitgenommen werden. Da ist der seit seinem 18. Lebensjahr an den Rollstuhl gefesselte Thomas Geierspichler, der nach einer Phase innerer Zusammenbrüche neue Lebensziele gefunden hat und bei den Paraolympics 2008 mit neuem Weltrekord Gold im Rollstuhl-Marathon holte. Da ist die 37-jährige Barbara Ghesla, die als Polizistin im Dienst einen schweren Autounfall erlitt und dabei alles vergaß, was zwischen ihrem fünften und 25. Lebensjahr passierte. Da ist der 14-jährige Max Rechenmacher, der mit Tumoren im Gesicht ringt, in Thomas Geierspichler und Lance Armstrong seine Vorbilder sieht und gerne komponiert. Da ist der 88-jährige Josef Ruprechtsberger, der blind aus dem Krieg zurückkehrte und zusammen mit seiner Frau, die er nur wenige Wochen mit Augen sehen konnte, ein aktives Leben führte und führt. Extrovertierte Lebensgestalter und zurückgezogene Beobachter, junge Menschen und alte - so unterschiedlich ihr Schicksal und ihr Wesen, so unterschiedlich ist auch der Weg, den sie in ihrem inneren und äußeren Leben gehen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie an Wendepunkte geführt wurden, die sie schmerzhaft zu einer neuen Sicht auf das Leben zwangen. In mehreren Beiträgen kommt das damit verbundene Ringen zum Ausdruck, bei einigen Porträts wird der innere Schritt vom 'Leben müssen“ zum 'Leben dürfen“ thematisiert. Am stärksten hat mich bei der Lektüre verwundert, dass man hinter all den tragischen Schicksalen vielfach auf positive Aussagen und Grundstimmungen stößt. Es sieht so aus, als würden auf der dunklen Grundierung des Schmerzes und des Leids die Farben des Lebens besonders hell leuchten. Wie schon in ihrer ersten gemeinsamen Publikation 'Vielleicht bin ich ja ein Wunder. Gespräche mit 100-Jährigen“ legen Christine Haiden und Petra Rainer hier einen Band vor, der von der Unverwechselbarkeit und Einzigartigkeit der Menschen erzählt und das Schöne, das in jedem Leben steckt, zum Ausdruck bringt. Christine Haiden zeigt ihre Aufmerksamkeit, indem sie dem Denken und Fühlen ihrer GesprächspartnerInnen Raum verschafft, Petra Rainer achtet in ihren Fotos behutsam auf Ausdruck, Stimmung und Details aus dem Lebensumfeld. Ein berührendes, sehr schön aufgemachtes Buch, das allen Bibliotheken nachdrücklich empfohlen werden kann. Wie bereits bei ihrem Band über die 100-Jährigen ist Christine Haiden wieder gerne bereit, zu Lesungen und Gesprächen in Öffentliche Bibliotheken zu kommen. *bn* Reinhard Ehgartner
Personen: Haiden, Christine Rainer, Petra
Haiden, Christine:
Trotzdem : Menschen mit besonderem Lebensmut / Christine Haiden ; Petra Rainer. - St. Pölten : Residenz-Verl., 2009. - 156 S. : zahlr. Ill. (farb.)
ISBN 978-3-7017-3149-7 fest geb. : ca. Eur 27,90
Biographische Sammlungen - Signatur: BI.A Haid - Buch: Sachbuch