Schönborn, Christoph
Wer braucht Gott? Barbara Stöckl im Gespräch mit Kardinal Christoph Schönborn
Buch: Sachbuch

Barbaras Suche Die TV-Journalistin Barbara Stöckl hat in ihrem neuen Buch Kardinal Christoph Schönborn gefragt: "Wer braucht Gott?" Was haben Sie dabei erfahren, Frau Stöckl? Ihr Buch kommt mit einem sehr großen Titel daher: Wer braucht Gott? Wie ist für Sie die Antwort nach den langen Gesprächen mit Kardinal Schönborn? Die Antwort ist für mich keine andere als vorher. Ich glaube, dass jeder Gott braucht. Ich bin aber nicht ganz mit dem Kardinal d'accord, dass jeder die Institution Kirche dafür braucht. Da gibt es auch noch andere Wege. Auch wenn ich sagen muss, dass ich sehr interessante Anregungen vom Kardinal bekommen habe und in manchem Groll versöhnt wurde. Welcher Groll hat sich gelöst? Ich glaube, dass es heute sehr chic ist und man es sich auch sehr leicht macht, über die Kirche zu schimpfen. Und dass man sehr schnell in diesen Chor einstimmt, dass die alle von gestern sind. Überzeugt hat der Kardinal mich in dem Argument der Verbindlichkeit, dass wir in unserem Leben zu Punkten kommen, wo es wichtig ist oder wichtig wäre, sich verbindlich zu etwas zu bekennen. Dieses Oberflächliche - ich nehme mir von überall ein bisschen was -, das ist reizvoll und mir auch nicht nur unsympathisch. Aber es bleibt etwas auf der Strecke, nämlich die Verbindlichkeit, die auch eine andere Qualität schaffen kann. Braucht man für die Verbindlichkeit eine Institution wie die katholische Kirche? Die Verbindlichkeit braucht eine Entscheidung, zu der man steht. Der Kardinal sagt, ihm ist ein konsequenter Buddhist lieber als ein hatscherter Christ. Jeder muss selbst draufkommen, was sein Weg ist. Ich denke, dass die katholische Religion, weil sie sehr eng mit dem Kulturkreis verbunden ist, in dem wir leben, vieles an Möglichkeiten bietet, sodass sich mich ihr näher fühle. An welchem Punkt entscheidet sich die Verbindlichkeit eines glaubenden Menschen? In help-tv habe ich viel mit Menschen zu tun, die schwerste Krisen durchmachen. Dort erlebe ich, dass sie entweder ganz brechen mit Gott oder in Gott einen Trost und eine Kraft finden. Beides kann ich verstehen. Der Glaube ist dann etwas Kindliches, ein Festmachen, ein Anhalten, ein Sich-beschützt-Fühlen. Die Frage ist, ob der Glaube der Vernunft überhaupt standhalten kann. Glaube heißt für mich, das Urvertrauen zu finden und das Gefühl zu haben, da ist etwas, das mich durchs Leben führt und das größer ist als alles, was ich sonst kenne. Wenn man dieses Urvertrauen hat, kann einen der Glaube sehr stark machen. Ich hatte es selbst nicht immer, ich hatte es lange Zeit verloren gehabt. Man geht heute eher ins Fitnessstudio, weil man verstanden hat, dass Muskeln kontinuierlich aufgebaut werden müssen. Aber dass der religiöse Seelenmuskel auch kontinuierlich trainiert werden muss, ist nicht besonders populär. Ich glaube, das hat schon eine moderne Komponente. Die heißt Innehalten. Das ist wieder sehr modern, weil für uns alle das Tempo, in dem wir leben, zu schnell ist. Es ist zu schnell, wie wir mit unseren Kindern umgehen, es ist zu schnell, was wir in unseren Tagesablauf hineinpressen wollen. Ich glaube, das Innehalten ist wieder sehr relevant für das Leben der Menschen. Wenn man beim Zulassen des Innehaltens ist, ist man schon sehr nahe beim Gebet. Was ein Gebet ist, kann vom Aussprechen von Wörtern bis zum Hineinhorchen in sich selbst gehen. Wie handhaben Sie das Innehalten für sich? Ich versuche, die Phasen des Innehaltens mehr und mehr zuzulassen. Die tägliche Stunde Meditation schaffe ich nicht, aber ich schaffe mir Inseln, wo ich nichts tue. Ich finde es toll, wenn ich nichts muss, wenn ich einfach nur in die Welt schaue. Das ist auch, wo man seine Batterien wieder aufladen kann. Sie haben den Kardinal oft gefragt, wie weit die Kirche selbst barmherzig ist, zum Beispiel gegenüber wiederverheirateten Geschiedenen. Gehen das Lebensgefühl der Menschen und die Lehre der Kirche da ganz auseinander? Das ist, was man der Kirche immer wieder vorwirft, dass sie nicht im Heute ankommt. Wo geht sich das Christentum in unserem Leben aus? Da würde ich mir von der Kirche wünschen, dass sie mehr und stärker aufzeigt, was gelebtes Christentum bedeutet, wie man gelebtes Christentum sieben Tage die Woche umsetzen kann. Das Thema Frauen in der Kirche wurde auch angesprochen. Der Kardinal argumentiert bei der Frage nach den Ämtern für Frauen sehr traditionell und auch sehr umstritten. Wie geht es Ihnen damit? Das sind Punkte, wo klar war, dass wir nicht zusammenkommen. Auf einer theologischen Ebene kann ich mich mit ihm schwer auseinandersetzen, dazu kenne ich die Bibel zu wenig gut. Grundsätzlich bin ich eine, die sagt: Ja, warum können Frauen nicht Priesterinnen werden? Für mich ist das rational nicht zu erklären. Ich kann dem Argument, dass die Kirche ein Verein ist, der seine Spielregeln hat, und dazu gehört, dass es einen Zölibat gibt und nur Männer Priester werden dürfen, nichts entgegensetzen. Aber es ändert nichts, dass ich glaube, dass diese Fragen, wie Frauen in der Kirche dastehen, wie die Sexualmoral aussieht, eine so große Symbolkraft haben, dass es auch symbolisch sehr wichtig ist, wie da die Weichenstellung passiert. Gibt es für Sie gläubige Menschen, die Sie berühren? Gläubig ist ein großes Wort. Die mir als Erstes einfallen, sind nicht unbedingt religiöse Menschen oder die ich als Vertreter einer Kirche bezeichnen würde. Es gibt ganz andere Bereiche, wo mir Menschen in ihrem Ringen um die Themen des Glaubens gut gefallen. Dieses Ringen ist für mich das Wichtige. Das sind selten Prominente, sondern große Menschen, die sich auf die echte Suche gemacht haben. Könnte eine Antwort auf die Frage "Wer braucht Gott" sein: der, der ein Gegenüber sucht, um eine Antwort zu finden auf das, was ihn bewegt? Der, der ihn sucht. Die Suche kann ganz unterschiedliche Gesichter haben, weil jeder in seinem Leben in die Situation kommt, wo er sucht. Ist Gott ein Er? Nein, es ist kein Er, es ist keine Sie. Es ist in meiner Vorstellung in uns selbst drinnen. * Welt der Frau* Christine Haiden


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Personen: Schönborn, Christoph Stöckl, Barbara

Schlagwörter: Katholische Kirche Kardinal Gottesfragen Zeitfragen

Schönborn, Christoph:
Wer braucht Gott? : Barbara Stöckl im Gespräch mit Kardinal Christoph Schönborn / Christoph Schönborn ; Barbara Stöckl. - Salzburg : Ecowin, 2007. - 188 S.
ISBN 978-3-902404-33-6 fest geb. : ca. Eur 19,95

Zugangsnummer: 0015601001 - Barcode: 0000354035
Katholisches Christentum, römisch-katholische Kirche - Signatur: PR.CK Schö - Buch: Sachbuch