Königin und Analphabetin Alan Bennetts Liebeserklärung ans Lesen, "Die souveräne Leserin", führt zuerst einmal zu einem Bücherbus der Bezirksbibliothek der City of Westminster, der zufälligerweise in einem der Höfe des königlichen Palastes parkte. Die Queen of England folgte ihren Hunden und traf im Bücherbus nicht nur einen überaus dezenten Bibliothekar, sondern auch noch einen jungen Mann, der hier saß und las. Höflichkeit ist eine Königstugend, doch die höfliche Geste des Ausleihens eines Romans verändert die Queen, ihre Gespräche und ihre Einstellung zu den Menschen. "Und welches Buch lesen Sie gerade?" - Diese Frage ordnet die Herrschaftsverhältnisse im Palast neu und belebt nicht nur das altehrwürdige Gemäuer. Jane Austen, Dostojewski oder auch Texte zum Feminismus öffnen der Queen neue Welten, sie will vertane Zeit aufholen, endlich mit Interesse die Tage füllen, Fragen stellen und auf Floskeln verzichten. Diese neue Weltsicht verwirrt die Hofschranzen, fördert neue Intrigen und lässt dennoch alle Ränkespiele ins Leere laufen: Die Queen, die in den Bücherbus stieg und zu lesen begann, regiert mehr denn je. Diese Leichtigkeit, mit Ironie sanft aromatisiert, schien bisher unübertreffbar, das Buch wurde zum offenen Geheimtipp. Bis dieser Jonas Jonasson, der bereits mit seinem Romanerstling "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg" jede Bestenliste erklomm, nun seinen Zweitling "Die Analphabetin, die rechnen konnte" vorlegte. Er beginnt im Slum von Soweto/Südafrika und präsentiert eine dem Schicksal trotzende Heldin. Ob sie zu Beginn ihrer Odyssee zwölf oder doch schon 14 Jahre alt ist, will später niemand mehr ermitteln, sie geht einfach ihren Weg. Bald wird sie Chefin der Latrinenleer-Truppe und vertreibt sich während dieser Schwerarbeit trübe Gedanken mit komplizierten Rechnungen. Dass sie bald einen kauzigen Alten trifft, der ihr nicht nur Geschichten erzählt, ist ihr Glück und dessen Untergang. Die Geschichte des Mädchens, das Dank seiner Begabung politische Beraterin in Südafrika und später Hüterin einer Atombombe wird, führt über viele Prüfungen zum glücklichen Ende. Ohne Kitsch, ganz im Sinne des klassischen Schelmenromans, deckt die Protagonistin Nombeko Mayeki Intrigen auf, lässt sich lieber als Putzfrau ausnutzen, als in Freiheit töten und träumt manchmal noch von der Liebe.
Rezension
Personen: Kuhn, Wibke Jonasson, Jonas
Jonasson, Jonas:
¬Die¬ Analphabetin, die rechnen konnte : Roman / Jonas Jonasson. - München : Carl's Books, 2013. - 442 S.
ISBN 978-3-570-58512-2 fest geb. : ca. EUR 20,60
Romane, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR Jona - Buch: Dichtung