Antikes Familiengemetzel mit neuzeitlicher Hoffnungsperspektive. (DR) Die Protagonisten sind bekannt: Klytaimnestra, Elektra, Orest. Eine alte Geschichte, die sogenannte "Orestie", das Endspiel im generationsübergreifenden Atridenfluch, der eine Kette von unglaublichen Gewalttaten zur Folge hatte. Um die Götter gnädig zu stimmen, wird Iphigenie von ihrem Vater Agamemnon zur Opferung freigegeben. Als dieser nach dem Trojanischen Krieg nach Hause zurückkehrt, ermordet ihn seine Frau Klytaimnestra mit Hilfe ihres Geliebten Ägisth. Die Tochter Elektra sinnt auf Rache, die ihr Bruder Orest vollziehen soll. Der Autor folgt dem antiken Material, ergänzt es allerdings stark, erweitert es auch um einige Personen, psychologisiert und aktualisiert sowohl die Denkweise als auch die Sprache der handelnden Personen. Die Götter haben nichts mehr zu sagen, es geht um menschliche Macht und Niedertracht. Das Geschehen wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Klytaimnestra und Elektra schildern aus Ich-Perspektive. Die Geschichte Orests, seine Gefangenschaft, seine Flucht mit Leandros, sein Aufenthalt im titelgebenden Haus der Namen und seine Rückkehr werden in distanzierender dritter Person dargestellt. Deshalb wirkt er als Romanfigur farbloser und passiver, aber er steht damit auch bereits etwas außerhalb des Teufelskreises von Blutrache und Gewaltherrschaft. Zumindest befindet er am Schluss, dass es des Tötens genug sei. Stilistisch brillant mit interessanten Zusatzgeschichten. Für literarische LeserInnen und Interessierte an der Bearbeitung antiker Stoffe.
Rezension
Personen: Bandini, Giovanni Tóibín, Colm Bandini, Ditte
Tóibín, Colm:
Haus der Namen : Roman / Colm Tóibín. - München : Hanser, 2020. - 285 S.
ISBN 978-3-446-26181-5 fest geb. : ca. EUR 24,70
Romane, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR Tóib - Buch: Dichtung