Steinberger, Kathrin
Manchmal dreht das Leben einfach um
Kinder/Jugend Bellet

Zuallererst hätte man diesem Buch ein Cover gewünscht, das einem Roman wie diesem auch gerecht wird. Und keinen grafisch schlicht misslungenen Versuch, den Vorder- und Rückseite eines Skateboards zieren, die fatal an Ikea-Pflaster erinnern. Obwohl das Motiv des Pflasters durchaus dem Roman entspricht, in dem unterschiedliche menschliche Beschädigungen nach und nach offen gelegt und letztlich auch ein Stück weit geheilt werden können. Das entsprechende Motto dafür ist einem Song der Pioneers entlehnt und dem Roman vorangestellt: „Old habits heavy on our hearts. / You better leave them behind.“ Die Figur, die ihre Vergangenheit in mehrfacher Hinsicht zurücklässt, ist Kevin Donner – ein Skaterprofi, von Firmen gesponsert und mit kaum 20 Jahren bereits Multimillionär. Für einige Jahre hat Kevin Donner sich ins Leben katapultiert, als würde er ein Bungee-Seil dafür nutzen. Nun ist er hart gelandet. Er beendet nicht nur seine Karriere, sondern bricht mit seinem bisherigen medienorientierten, ganz auf Fun ausgerichteten Leben und zieht sich an die Peripherie jeder Art von Weltläufigkeit zurück. In ein bayrisches Dorf. Dorthin also, wo der Fuchs geht, um dem Hasen Gute Nacht zu sagen. Dorthin, wo Ali lebt. Kevins neu erbaute Bauernhaus-Festung steht nun also neben dem Haus, in dem die Ich-Erzählerin ein gleichermaßen hermetisches Leben führt. Denn Ali ist hochbegabt und umgibt sich mit sprachlichen Versuchen, die Fülle an Informationen, die sie aufzunehmen imstande ist, zu kanalisieren. Kathrin Steinberger umgibt Ali mit lexikonartigen Kurzpassagen: Eine Fülle an generationsübergreifenden Medienvorlieben, die Kenner_innen großartig unterhalten und Nicht-Kenner_innen nach und nach auf die Spur von Alis charakterlicher Disposition führen. Denn immer schärfen die jeweiligen Verweise den Blick für Alis Befindlichkeiten. Erst im Aufeinandertreffen von Ali und Kevin beginnen die beiden in sich geschlossenen Systeme einander zu berühren und zu durchdringen. Was als gemeinsame Vorliebe für Sport (und qualitativ hochwertige Ausrüstungsgegenstände) beginnt, wächst rasch zu einer großen Liebe an. Die ihrerseits zu einem hermetischen System wird und daher auch unvermeidlich auf nicht mehr zu überwindende Barrieren zusteuert. Kathrin Steinberger erzählt Jugend nicht nur aus einem zu erforschenden emotionalen Terrain heraus, sondern auch mit Hilfe zahlreicher jugendkultureller Implikationen. Sie setzt das Skaten zeichenhaft für den Wunsch ein, das Leben voranzutreiben und taktet die Handlungseinheiten durch den von ihr genutzten Soundtrack. Zum Movens der Beziehungsgeschichte und zur zentralen Frage nach einem wachsenden Vertrauensverhältnis lässt sie das sexuelle Miteinander der beiden Figuren werden, das sie umfassend und dennoch nie plakativ oder gar biologistisch beschreibt. Sie findet Sprachbilder, um die Annäherung der beiden aus Alis Sicht zu schildern, und lässt mit dieser neuen Körperlichkeit auch Alis Info-Reproduktions-Wahn nach und nach aufweichen. Sie blendet nicht aus und zeigt damit auch, dass nicht wortloses, sondern wortreiches Ein- (und später auch Miss-)verständnis zwischen Ali und Kevin herrscht. Bis zu jenem Zeitpunkt, als Kevins biografische Vorbestimmtheit nicht mehr durch Zweisamkeit zu kompensieren ist – ja mehr noch, diese verhindert. Doch das Leben dreht auch hier noch einige Male um und mit einer furiosen Art von Epilog folgt Kathrin Steinberger final den Lebenswegen der beiden, wie sie bis dahin jedem auch noch so gefinkelten Move auf dem Skateboard gefolgt ist. Die hochbegabte Almuth, die die Schule wie nebenbei erledigt, von ihren Klassenkameradinnen aber nicht ernst genommen wird, lernt den verunfallten Profi-Skateboarder Kevin kennen. Zwei Außenseiter also, die sich auf Anhieb verstehen und einander rasch näher kommen. Selten liest man in der (Jugend-) Literatur eine so unkomplizierte Annäherung, erste Liebesnacht und solides Beziehungsleben. Die Schwierigkeiten kommen später, als Kev plötzlich verschwindet und Ali in ein Einsamkeitsloch stürzt. Auch wenn sie diese Beziehungskrise gut lösen können und sich Kevs Herkunftsgeschichte klärt, wendet das Leben noch mehrfach alles um, bevor die beiden in ewiger Harmonie und glücklichem Familienleben verharren dürfen. Genau recherchiert hat die Autorin die vielen Fakten zu diversen Filmen und Musikern, die Ali in ihrem superklugen Kopf gespeichert hat, sowie alles rund um die Faszination Skateboarden. Der Versuch, das Gleichgewicht darauf zu finden und Tricks zu „stehen“ – wer das einmal probiert hat, wird die verschiedenen Aspekte, die hier beleuchtet werden, interessant finden. Die Charakterzeichnung der Jugendlichen trägt die Erzählung aber nicht überzeugend, sondern lässt sie konstruiert erscheinen. Auch der Jargon, den Kathrin Steinberger dem Skater aufzwingt, wirkt eher gekünstelt. Der Roman spielt in unserer Gegenwart, eine rasche Vorschau am Ende des Buches entführt uns aber einige Jahre in die Zukunft. Dass gerade dieser unmotivierte Zeitsprung uns die Botschaft des Titels plausibel machen soll, befremdet. FOLDER ÖKJB-Preis 2016: Ein Skater-Roman. Eine Liebesgeschichte. Ein jugend- und popkulturelles Patchwork, in das ein wechselvolles Miteinander jugendlicher Figuren eingewoben wird. Er: Kevin, dem kein Risiko zu groß war und der entsprechend hart gelandet ist. Sie: Ali, ein hochbegabtes Mädchen, das mühsam lernen muss, die Fülle an ihr zur Verfügung stehenden Informationen zu kanalisieren. Die beiden treffen dort aufeinander, wohin Kevin sich zurückzieht und Ali lebt. Sie beginnen gemeinsam, eingefahrene Bahnen zu verlassen und sich selbst ganz neu zu erproben. Doch Kevins Biografie ist in mehrfacher Hinsicht nicht ungebrochen und Ich-Erzählerin Ali ist herausgefordert, sich mit seinen Traumata zu konfrontieren und dabei ihren eigenen Standpunkt zu wahren. Ein rasant erzählter Roman, in dem Wege nicht abgekürzt werden; in dem Verständnis nicht vorausgesetzt wird; in dem Dialoge zu Ende gedacht werden; in dem nicht ausgeblendet wird, wenn es intim wird; in dem anrührend davon erzählt wird, wie schwierig es sein kann, Vertrauen zu schaffen.


Dieses Medium ist verfügbar. Es kann vorgemerkt oder direkt vor Ort ausgeliehen werden.

Personen: Steinberger, Kathrin

Interessenkreis: Jugend Leben

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Steinberger, Kathrin:
Manchmal dreht das Leben einfach um / Kathrin Steinberger. - 1-Auflage. - Wien : Jungbrunnen, 2015. - 278 S.
ISBN 978-3-7026-5893-9 fest geb. : ca. € 16,95

Zugangsnummer: 0025463001 - Barcode: 01005240
JE - Kinder/Jugend Bellet