Eine informative und kritische Zustandsbeschreibung des heutigen Japans. (GP) Als sich Japan nach einer selbstverordneten, strengen Isolation vor mehr als 160 Jahren dem Westen öffnete, um die Modernisierung des Landes einzuleiten, etablierte sich als Folge einer auch hierorts ausbrechenden Japanmanie ein geschöntes und klischeehaftes Bild des Kaiserreichs, das bis heute nachwirkt. Die Journalistin und Japanologin Judith Brandner, die sich ihre ausgezeichnete Japan-Expertise in zahlreichen Aufenthalten und Lehraufträgen vor Ort erwarb, wirft im vorliegenden Buch einen kritischen Blick auf das "andere" Japan. Sie berichtet von Protestbewegungen, die sich für Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit und gegen die Ausrichtung der Olympischen Spiele in Tokio 2020 aussprechen, weiters thematisiert sie die Probleme von Obdachlosen und Arbeitnehmern, von denen zwei Drittel keine fixe Anstellung haben, als Working Poor ihr Leben fristen, nur schwer eine Familie gründen und sich keine Kinder leisten können, obwohl Japan enorm mit einer alternden Bevölkerung zu kämpfen hat. Breiten Raum nimmt naturgemäß die Atompolitik ein. Ausgelöst durch die Dreifachkatastrophe in Fukushima (Erdbeben, Tsunami, Reaktorunfall) von 2011, die Brandner miterlebte und in einer Chronologie eindrucksvoll beschreibt, bestimmt sie seitdem den öffentlichen Diskurs, sei es wegen der grundsätzlichen Nutzung der Atomenergie oder der angedachten nukleare Bewaffnung des Landes. Die Zustandsbeschreibungen Brandners geben ungewöhnliche Einblicke in die japanische Gesellschaft, sie sind gut recherchiert und sehr informativ, nicht zuletzt auch deswegen, weil die Autorin auf viele Einschätzungen und Analysen ihr bekannter Japanerinnen und Japaner zurückgreifen konnte.

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Personen: Brandner, Judith

Schlagwörter: Japan Kulturpolitik