Der bislang vierte Band aus Walter Moers Wunderwelt Zamonien (ab 12) Im Gegensatz zu dem tollkühnen Wolpertinger, der sich den Heldenstatus wahrhaft verdient hat, sind heldenhafte Ambitionen bei Hildegunst von Mythenmetz eher beschränkt. Hildegunst ist der größte zamonische Schriftsteller aller Zeiten, bekannt als Verfasser von "Ensel und Krete". Der nunmehr vierte Zamonien-Band "Die Stadt der Träumenden Bücher" thematisiert die erste Wegstrecke des zukünftigen Schriftstellers Hildegunst von Mythenmetz, der die Hochburg der Dichtkunst verlässt, um in Buchhaim den Verfasser eines ominösen Manuskripts aufzuspüren. Was ihn in der "Stadt der Träumenden Bücher" erwartet, ist haarsträubend, jedenfalls für bibliophile Menschen. Offensichtlich ist, dass Walter Moers in seinem letzten Streich den gesamten Buchmarkt gehörig durch den Kakao schleift. Mit seinen verkümmerten Urinstinkten ist Hildegunst in der grausamen Welt von Buchhaim restlos überfordert. Aber jedes Mal, wenn der wenig athletische Jungautor tollpatschig in eine ausweglose Situation stolpert, stehen ihm lebensrettende Helfer zur Seite. Etwa die putzigen Buchlinge, die ihm in ihrer "Ledernen Grotte" Unterschlupf gewähren und ihn mit fragwürdigen Tipps über das Schriftstellerhandwerk überhäufen: "Schreib nie einen Roman aus der Perspektive einer Türklinke!" oder "Bei einem Dichter klauen ist Diebstahl, bei vielen Dichtern klauen ist Recherche." Dem mysteriösen Manuskriptschreiber kommt Hildegunst auf die Schliche, doch viel wichtiger ist, dass er mit dessen Hilfe die Katakomben mit all den widerwärtigen und todessehnsüchtigen Kreaturen unversehrt verlassen kann. Letztendlich - und so wird dann doch noch fast ein Held aus dem Lindwurm - ist er an der Vernichtung Smeiks beteiligt, bevor dieser mit seinen Hegemonieplänen ganz Zamonien an sich reißen kann. In beiden (Helden-)Geschichten wird Märchenerzähler Moers seiner Rolle als Schöpfer von abstrusen Sonderlingen gerecht, die er mit charismatischen Attributen ausstaffiert, um seine Leser ganz in Beschlag zu nehmen. Zweifellos beherrscht er das Genre ohne dabei jemals einen Fehltritt ins Lächerliche zu tun. Die Moers'schen Ausschweifungen, die just in dem Moment eingestreut werden, wenn sich der narrative Bogen auf seinem Höhepunkt befindet, entpuppen sich als grandiose Binnenerzählungen, die der vorangegangenen Spannung aus der Rahmenhandlung die Show stehlen. Wer jedoch den ungestümen Rumo ins Herz geschlossen hat, wird mit dem plumpen Hildegunst nicht auf Anhieb warm. Dennoch sind die Situationen brechend komisch, in denen die literaturverliebte Echse aus einer lakonischen Ich-Perspektive ihre Eindrücke zum Besten gibt, die von keinerlei Weltverständnis und Realitätsbezug zeugen. Doch gibt es sie nicht überall, diese selbsternannten Literaten, die ausschließlich in ihrer kleinen Papierwelt hausen und für die Realität völlig ungeeignet sind? In jedem Fall aber lebt die Gesamtheit der zamonischen Figuren von ihren unzähligen liebenswürdigen, sarkastischen, irrwitzigen, einfältigen, derben, großkotzigen, stumpfsinnigen, verdorbenen, unverschämten, abgefahrenen, gewieften, charmanten, geistreichen, verruchten ... Details, die aus jedem patscherten Wurm einen Helden machen und in den kratzig-frechen Zeichnungen von Altmeister Moers ihre Entsprechungen finden. *ag* Susi Stadlmayr
Personen: Moers, Walter
Standort: Bibliotheksreferat
Moers, Walter:
¬Die¬ Stadt der Träumenden Bücher / Walter Moers. - München : Piper, 2004. - 455 S.
ISBN 3-492-04549-9 fest geb. : Eur 25,60
JE Erzählungen - Signatur: JE Moe - Kinder und Jugend