Den Wert einer Gesellschaft kann man an ihren Geschichten ablesen. Solange noch neue Geschichten erzählt werden, ist sie nicht gestorben. Monika Helfer erzählt als aufmerksame Alltagshistorikerin dutzende dieser Geschichten, die wie ein Lied noch Tagelang als Ohrwurm hängenbleiben. Tatsächlich gleichen diese Geschichten jenen eindringlichen Balladen, die von den Missverständnissen zwischen den Generationen, den Abwehrmechanismen der Kulturen, der Geduld des Erforschens und dem Traum von einem geglückten Leben erzählen. Und als einmal eine Geschichte zu kippen droht und schlecht ausgehen will, kommt diese beruhigende Handreichung, die besagt, dass wir alle wollen, dass es gut ausgeht, und deshalb die Geschichten schon einmal damit beginnen. Dabei ist es Ansichtssache, ob eine Zuspitzung dann wirklich auch gut ausgeht, oft müssen der Zahn der Zeit helfen, ein Problem auszutrauern, oder die österreichische Methode, etwas einfach zu verdrängen. "Es liegt alles an dir", wird einer jungen Frau gesagt, die den Gönner der Familie heiraten soll, weil sonst alle in der Luft hängen. Die Frau will ein eigenes Leben führen und nicht als Angetraute eines um zwanzig Jahre älteren Mannes verbleichen. Aber dann scheint doch die Vernunft zu siegen, die Frau lässt sich so richtig materiell verwöhnen, es wird sicher etwas Gutes dabei herauskommen. In einer Weihnachtsgeschichte wird im Railjet just bei Innsbruck ein Säugling gefunden. Jetzt rennt der ganze Waggon zusammen und spendet und jubelt und packt alle Weihnachtsgesten aus: endlich ist die Sehnsucht gestillt, dass sich ein Weihnachtswunder ereignet und noch dazu in einem Railjet und gar erst in Innsbruck. Während in unseren Breitengraden Kleidungsstücke im Überfluss herumhängen, wird die einzige Jeans-Jacke für einen Jungen in Syrien zu einem Überlebensgrund. Alles hat man ihm schon genommen, jetzt kommen die Peiniger näher und er beginnt zu rennen. Wenigstens die Jacke wird er retten. Andernorts kommt schließlich doch der Gerichtsvollzieher, um den Schlussstrich unter das finanzielle Desaster der Familie zu setzen. Das Kind schaut innig eine Sendung und bittet, wenigstens diesen Film noch fertig sehen zu dürfen, ehe man den Fernseher mitnimmt. Eine afghanische Mutter mit ihrer kleinen Tochter kommt zu einem verdutzten Beamten auf die Polizeiinspektion, sie deutet auf die Genitalien und ruft immer wieder kaputt. Der Beamte reagiert sinnvoll und geht wortlos mit der Mutter zu einem Haus, wo sie geputzt hat. Der Hausbesitzer hat die sexuellen Dienste mit auf die Rechnung gesetzt und sich nichts dabei gedacht, weil die Geschichte ja ohnehin gut ausgeht. Monika Helfers Geschichten graben sich tief ins Lese-Herz ein und hören nicht auf, weiterzuschlagen. Diese Geschichten suchen immer auch Verbündete, sie wollen gegenseitig erzählt werden, damit sie auch wirklich gut ausgehen. - Eine stille Literatur, die wirklich etwas bewirkt. Helmuth Schönauer
Personen: Helfer, Monika Helfer, Lorenz (Ill.)
Standort: Bibliotheksreferat
Helfer, Monika:
Diesmal geht es gut aus : Geschichten / Monika Helfer. Mit Zeichn. von Lorenz Helfer. - 1. Aufl. - Innsbruck [u.a.] : Haymon-Verl., 2014. - 212 S. : Ill.
ISBN 978-3-7099-7802-3 ca. Eur 17,90
Romane, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR Hel - Belletristik