Leben, Tod und Zauberstab auf theologischer Spurensuche in Harry Potter
Sachbuch

Die inzwischen schon zahlreiche religionspädagogische und theologische Literatur - hier gut zusammengefasst - zu den Erfolgsromanen wird originell ergänzt. Auf der Suche nach Spuren impliziter Theologie, nach Sinn- und Letztfragen also, werden die genau lesenden Autorinnen fündig. Die Tatsache z.B., dass der kleine findige Grenzgänger zwischen den Welten namens Harry Potter eine Narbe auf der Stirn trägt, also ein Verletzter und durch Überleben Ausgezeichneter ist, signalisiert leitmotivisch das Thema von Heilung und Vergebung. Die Konfrontation zwischen guten und bösen Welten und Mächten ruft indirekt und höchst unterhaltsam die ernsten Fragen nach Gnade und Erbsünde wach, zumal das Themenfeld immer wieder präsent ist. Die Innsbrucker Autorenschar, allesamt von der dortigen Girard-Schwager-Schule geprägt, legen naturgemäß auf diese "Sündenbock-Thematik" einen besonderen Akzent. Man muss den kleinen Kämpfer für das Gute nicht unbedingt messianisch interpretieren, aber die Frage nach Sendung und Berufung legt sich narrativ zwingend nahe. Deutlich sehen die Autorinnen die Gefahr, solch phantastische Unterhaltungsliteratur theologisch zu vereinnahmen und interpretativ zu überfrachten. Diese Gefahr höchst reflektiert vermeidend, spüren sie doch sensibel der Frage nach, warum diese Bücher einen so unglaublichen Erfolg hatten und haben, welche Erwartungen und Bedürfnisse hier also angesprochen und bedient werden. Zweifellos ist der Wunsch nach Ordnung und Orientierung im Spiel, der uralte Konflikt zwischen dem Guten und dem Bösen will eine eindeutige Antwort - und daraus erwächst so etwas wie eine nicht doktrinale und nicht moralistische Moralpädagogik mit entsprechendem Lob der Tugenden und einer ganzheitlichen, von Empathie und Fürsorge geprägten Verantwortlichkeit. Harry Potter, der durch Unrecht und Unglück verletzte Mensch, erweist sich gerade deshalb als frühreifer Pionier einer empathischen Mitmenschlichkeit, die sich verwundbar macht und berühren lässt, die sich einmischt und Flagge zeigt. Mindestens christliche Leser werden von Ferne an die Ikone des verwundeten Arztes aus Nazareth denken können. Ob man nicht deutlicher auch die narzisstische Problematik des Waisenkindes Harry bedenken müsste: Identifikationsfigur für so viele Waisenkinder und Berührungsopfer heute? Insgesamt aber gilt für dieses anregende Bändchen, dessen Methode zur Erprobung auch für "große" Literatur einlädt, was vom Zentauren gesagt wird: "Ihm schien es nicht das Wichtigste zu sein, sie zu lehren, was er wusste, sondern ihnen einzuprägen, dass nichts, nicht einmal das Wissen eines Zentauren, unfehlbar sei" (106).
*LitFo* Gotthard Fuchs


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Serie / Reihe: Literatur - Medien - Religion

Personen: Drexler, Christoph Wandinger, Nikolaus

Standort: IRPB Salzburg

Schlagwörter: Theologie Religionspädagogik Moralpädagogik Harry Potter Katholische Theologie Rowling, Joanne K. Scar

Leben, Tod und Zauberstab : auf theologischer Spurensuche in Harry Potter / Christoph Drexler ; Nikolaus Wandinger (Hg.). Mit Beitr. von Ch. Drexler, T. Peter, A. Walser und N. Wandinger. - Münster [u.a.] : Lit, 2004. - 143 S. - (Literatur - Medien - Religion; Bd. 11)
ISBN 978-3-8258-7514-5 kart. : ca. Eur 17,40

Zugangsnummer: 0012914001 - Barcode: 0003084489
E1:1-36 - Signatur: E1:1-36 - Sachbuch