Der unaufhaltsame Zerfall einer Innviertler Bauernfamilie - fulminante Fortsetzung des autobiografisch gefärbten Generationenromans "Roter Flieder". (DR) Im zweiten, abschließenden Teil dieser Familientragödie beschreibt der oberösterreichische Autor Reinhard Kaiser-Mühlecker poetisch bildreich, ruhig, in einer aus der Zeit gefallenen Sprache, wie Urenkel Ferdinand verzweifelt versucht, dem Fluch, der seit vier Generationen über der Familie Goldberger lastet, ein Ende zu setzen. Zufällig stößt der in Wien ansässige, introvertierte Ferdinand auf seine Jugendliebe Susanne, die ihn seinerzeit unerwartet verließ. Blindlings stürzt sich der sonst so bedächtig agierende, im Ministerium tätige Ökonom in eine neuerliche Beziehung mit der offensichtlich Suizidgefährdeten. Er spielt sogar mit dem Gedanken, mit Susanne an den Familienhof in seiner oberösterreichischen Heimat zurückzukehren, wo es zwischen seinem tonangebenden Onkel Thomas und dessen grobschlächtigen Neffen Leonhard immer häufiger zu Auseinandersetzungen kommt. Kurz vor der Hochzeit zerplatzt der Traum vom neuen Lebensglück. Susanne nimmt sich das Leben und Ferdinand reist auf den Spuren seines einst ausgewanderten, unter mysteriösen Umständen verstorbenen Vaters nach Bolivien, wo die Arbeit in einem Kinderspital sein Inneres wieder ins Gleichgewicht bringt. Da bewegt ihn eine weitere Hiobsbotschaft zur Heimkehr: Sein Onkel hat Leonhard erschlagen. Getrieben vom Wunsch nach Vergeltung und der Aufhebung des Familienfluchs übernimmt Ferdinand den stattlichen Hof, nur um ihn konsequent zu zerstören. Dieser finale Befreiungsschlag fällt jedoch auf ihn selbst zurück. Der Autor versteht sich glänzend auf die Darstellung der wortkargen und grausamen Beschränktheiten der österreichischen Provinz, die er seit seinem vielbeachteten Debüt 2008 in mehreren Büchern durchleuchtet. Rigoros setzt er sich über Trends in der aktuellen österreichischen Literatur hinweg. Der Kontrast zwischen der distanzierten, auktorialen Erzählweise und dem archaischen äußeren Romangeschehen mit seinen vom Leben gebeutelten Charakteren verleiht diesem traurigen Abgesang über Schuld, Rache und belastende Familiengeheimnisse Würze. Diesem Stück ernsthafter, ästhetisch selbstbewusster, durch und durch österreichischer Literatur sind viele aufmerksame LeserInnen zu wünschen.
Personen: Kaiser-Mühlecker, Reinhard
Standort: Bibliotheksreferat
Kaiser-Mühlecker, Reinhard:
Schwarzer Flieder : Roman / Reinhard Kaiser-Mühlecker. - Hamburg : Hoffmann und Campe, 2014. - 236 S.
ISBN 978-3-455-40470-8 fest geb. : ca. € 19,60
Romane, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR Kai - Belletristik