In ihrer Intensität und Sensibilität außergewöhnliche und berührende Totenklage und zugleich die Geschichte einer tiefen, ambivalenten Liebe. (DR) "[…] während man versucht, sich dem Tod zu nähern, stehlen die Worte und Begriffe sich davon" (S. 261), der Tod ist nicht fassbar, vor ihm verlieren alle Wörter ihren Sinn. Reflexionen über Tod und Trauer, Liebe und Sehnsucht stehen im Zentrum von Anna Mitgutschs bemerkenswertem neuen Roman: Die Ich-Erzählerin trauert um ihren Lebenspartner Jerome, jenem Menschen, dem sie sich zeitlebens trotz der Scheidung vor etlichen Jahren verbunden fühlte. Es war eine ambivalente Liebesbeziehung, überschattet von Missverständnissen, Lügen und Enttäuschungen, aber auch geprägt von unaufhörlichen Versuchen, aneinander festzuhalten. Ihr Wunsch nach Unabhängigkeit und seine Untreue schienen ein Zusammenleben unmöglich zu machen. Kurz vor seinem Tod sprach Jerome jedoch von einem gemeinsamen Altwerden, zeichnete sich "vorsichtig, zwischen den Sätzen, […] ein neues Leben ab, wie das hauchzarte Gewebe eines leuchtenden Altweibersommers, ohne die Forderungen und Ausweichmanöver, die Ungewissheiten und das Warten auf später wie bisher." (S. 7) Doch dann die Todesnachricht, überraschend, unerwartet, unerbittlich. Dass Jeromes Familie ihr als geschiedener Ehefrau das Recht zu trauern abspricht, verletzt die Erzählende tief und schürt Zweifel in ihr: Was empfand Jerome wirklich für sie? Was war sie ihm? Ihre Totenklage ist ein wütendes Aufbegehren gegen den Tod, ein Erinnern und Abschiednehmen und der verzweifelte Versuch, sich seiner Liebe zu vergewissern. Jerome ist dabei immer stummes Gegenüber, abwesendes Du, er bleibt gegenwärtig, "ist der Zwischenraum zwischen den Dingen, die Zeit zwischen den Minuten." (S. 253) Es sind vor allem die subtile, poetische Sprache, die feinsinnige, intensive Auseinandersetzung mit Trauer und Schmerz und das sensible Ausloten von Gefühlszuständen, die diesen Roman zu einem besonderen Stück österreichischer Gegenwartsliteratur machen. Das jüdische Trauerjahr bildet den erzählerischen Rahmen dieses nahe gehenden, beklemmenden Romans, der Literaturkreisen und allen Bibliotheken sehr empfohlen werden kann.
Personen: Mitgutsch, Anna
Standort: Bibliotheksreferat
Mitgutsch, Anna:
Wenn du wiederkommst : Roman / Anna Mitgutsch. - München : Luchterhand, 2010. - 271 S.
ISBN 978-3-630-87327-5 fest geb. : ca. € 20,60
Romane, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR Mit - Belletristik