Eine Ehefrau lässt sich auf ein Isolations-Arrangement ein und schafft sich schreibend einen Ausweg. (DR) Das Arrangement sieht so aus: Die Ehefrau zieht sich freiwillig und mit eindrücklicher Einwilligung ihres Mannes in ein Apartment im obersten Stockwerk im Stadtzentrum zurück, das sie nicht verlässt, obwohl sie das jederzeit könnte. Angeblich will sie dort an ihrem Buch schreiben. Eingerichtet hat die Wohnung ihr Mann (immer genannt »Meinmann«), der die Ich-Erzählerin auch mit Lebensmitteln versorgt und von Zeit zu Zeit unangemeldet vorbeikommt. Das Interieur wirkt sehr steril, der einzige Kontakt mit der Außenwelt erfolgt quasi via ein großes Glasfenster, von dem sie die Stadt von oben aus beobachtet. Das Ehepaar hat offensichtlich auch zwei bereits erwachsene Kinder, die aber der Frau sehr entfremdet sind, besonders der Sohn. Die Frau scheint durch ihren dominanten, emotionslosen und redebegabten Mann völlig fremdbestimmt zu sein und sich äußerlich mit der Situation zu arrangieren, ja, sie als eine Art sicheren Ort vor ihren Versagenserfahrungen zu empfinden. Parallel dazu entwickelt sie schreibend eine Gegenwelt in Geschichten, in denen eine »schmutzige Frau« in verschiedenen Stadien ihres Lebens auftritt, die ihre Umgebung und vor allem die Männer zugleich anzieht und irritiert. So entsteht einerseits das Bild einer »cleanen« und kalten, aber höchst toxischen Beziehung und andererseits die Emanzipation aus derselben. - Das Buch trägt die Bezeichnung »Versroman«, was damit begründet wird, dass es keine Punkte gibt und nach jedem Satz ein Absatz folgt, was den oft sehr kurzen Sätzen und Satzteilen etwas Offenes, Unabgeschlossenes gibt. Formal und sprachlich ein äußerst interessantes und geglücktes Textexperiment, literarischen Leser*innen sehr gerne empfohlen.
Personen: Pehnt, Annette
Pehnt, Annette:
¬Die¬ schmutzige Frau : Versroman / Annette Pehnt. - München : Piper, 2023. - 164 Seiten
ISBN 978-3-492-07107-9 Festeinband : EUR 22,70
Romane, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR PEH - Buch: Dichtung