Unser Freund Jean Ziegler, ein unermüdlicher Kämpfer für eine solidarische Weltgesellschaft, befürchtet wohl zurecht, dass mit der Ratifizierung dieses umstrittenen Vertrags ädie Weltmacht der Konzerne endgültig realisiertô wäre.1) Mit seinem jüngsten Buch legt Ziegler eine brillante Analyse zur Genese und zum (historischen) Widerstand gegen die heute ädominierende kannibalische Weltordnung der Finanzoligarchieô vor. Über pointierte Formulierungen hinaus (die auf manche irritierend wirken, nach Meinung des Autors aber unumgänglich sind, um klar zu machen, worum es geht) überzeugt Ziegler an dieser Stelle insbesondere aufgrund der differenzierten historischen Befunde und der schonungslosen Darstellung des Status quo. Jean Ziegler stellt vor allem radikale, entlarvende Fragen und gibt darauf bedenkenswerte, überzeugende Antworten: Was nützt ein Intellektueller? Woher rührt die Ungleichheit zwischen den Menschen? Was unterscheidet falsche von richtigen Ideologien? Sind die Gesetzmäßigkeiten des Marktes schicksalshaft vorbestimmt und unumkehrbar? Oder auch: Was unterscheidet Wissenschaft von Ideologie? Besonders spannend, weil an dieser Stelle kaum erwartet, äußert sich Ziegler zum Zusammenhang von Wissenschaft und Kunst oder auch zur Rolle der Universität im 21. Jahrhundert. Die im Wandel der Geschichte sich markant verändernde Rolle von äStaatô (vom Instrument der Repression hin zum mit Kalkül geschwächten Bollwerk gegen die Entrechtung der Machtlosen) und äNationô (einst Grundlage gesellschaftlicher Solidarität, heute zunehmend Konstrukt für rassistische Unterdrückung und Ausbeutung): dies - und mehr diskutiert und verhandelt der Autor leidenschaftlich und präzise zugleich. Seine bedenkenswerte Conclusio: Es ist unabdingbar, sich in Anbetracht der entfesselten Kräfte der nachweislich falschen, weil zerstörerischen Ideologie des Marktes der intellektuellen Widerständigkeit zu erinnern, wie sie im äNeolithikum der Sozialwissenschaftenô u. a. von Marx, Lukás, Horkheimer oder Sartre konzipiert wurde (vgl. S. 18) und, darauf aufbauend, für eine Neuordnung der Gesellschaft zu kämpfen. Zu hinterfragen freilich bleibt, ob die von Ziegler beschworene äsolidarische Vernunft der neuen, weltweiten Zivilgesellschaftô (S. 272) tatsächlich den erhofften Wandel bewirken kann. Zumindest wäre es wichtig, die diesem Ziel dienlichen Strategien näher zu beleuchten. Walter Spielmann
Rezension
Personen: Ziegler, Jean Schäfer, Ursel
Ziegler, Jean:
Ändere die Welt! : warum wir die kannibalische Weltordnung stürzen müssen / Jean Ziegler. Aus dem Franz. übertr. von Ursel Schäfer. - 1. Aufl. - München : Bertelsmann, 2015
Einheitssacht.: Retournez les fusils! Choisir son camp
ISBN 978-3-570-10256-5
Zugangsnummer: 0009497001 - Barcode: 2-0000000-8-02111407-6
NB - Signatur: NB Zie - Sachbuch