Prag zur Zeit Kaiser Rudolf II. - ein Epochenroman. (DR) Leo Perutz war in den 1930er Jahren ein sehr erfolgreicher Autor. Seine jüdische Herkunft machte ihn zum Emigranten und Heimatlosen. Und für mehrere Jahrzehnte zu einem Vergessenen. Eine Renaissance erlebt der 1957 in Bad Ischl Verstorbene seit den 1980ern. Dieser Roman gilt als sein "Meisterwerk" und kann auf eine lange Entstehungsgeschichte verweisen. Kunstvoll ist der Aufbau, durchdacht die Verbindungen zwischen den einzelnen Figuren und die einzelnen Kapitel haben die literarische Qualität von Novellen - bis man die Zusammenhänge erkennt, meint man auch, auf eine Novellensammlung gestoßen zu sein. Je mehr die Verknüpfungen erkennbar werden, desto spannender wird der diffizile Roman, der ein breit angelegtes Bild der Epoche unter der Regentschaft des Habsburgers Rudolf II. in Prag zeichnet. Die Darstellung seiner Sammlerleidenschaft und seiner permanenten Geldnöte, die er durch Kredite aus der Schatulle des jüdischen Financiers Mordechai Meisl zu stopfen hofft, und die Leidenschaft zu Esther, Meisls Frau, lassen tief in die Psyche des Herrschers blicken. Märchenhaft muten die Szenen der Liebe, die mehr platonisch-obsessiven denn realen Charakter hat, an. Zahlreich sind die Figuren dieses Romans und doch hängen alle miteinander an einem Handlungsfaden, der von Perutz geschickt geführt wird. Faszinierend auch die Darstellung des Lebens im Getto. Tragik und Dramatik verbinden sich geschickt mit Psychologie und einem Schuss Humor. Historisches Wissen bildet den unaufdringlichen Rahmen einer gekonnten Fabulierlust des Autors. Das Nachwort von Hans-Harald Müller ist überaus aufschlussreich. Leo Perutz ist einer der österreichischen Autoren des 20. Jahrhunderts, von dem jede Öffentliche Bibliothek zumindest ein Werk anbieten sollte - "Nachts unter der steinernen Brücke" könnte dieses Buch sein! *bn* Martina Lainer
Rezension
Personen: Perutz, Leo Müller, Hans-Harald
Perutz, Leo:
Nachts unter der steinernen Brücke : Roman / Leo Perutz. Hrsg. u. m. e. Nachwort v. Hans-Harald Müller. - Wien : Zsolnay, 2000. - 292 S.
ISBN 978-3-552-04974-1 fest geb. : ATS 291,00 / Eur 21,10
DR - Signatur: DR Perut - Belletristik