Regungslos, den Blick starr nach vorne gerichtet, das Gewehr in der rechten Hand - so steht er da, in seiner grünen Uniform: der Aufpasser. Postiert ist er direkt vor dem Falz, dort wo die linke und die rechte Buchseite aufeinandertreffen. Dort steht er, allein auf weißer Fläche, und passt auf, dass niemand von der linken auf die rechte Buchseite gelangt. Anfangs, als nur der neugierige Hund und Niklas die linke Seite betreten, ist diese Aufgabe noch einigermaßen durchsetzbar - trotz Rückfragen und Unverständnis. äDas ist doch verrückt!ô entfährt es Niklas in einer orangen Sprechblase. Aber wie sonst soll er reagieren, wenn ihm der Wächter erklärt, dass sich sein General das Recht vorbehalten hat, die rechte Seite weiß zu belassen, damit er in die Geschichte hineinkommen kann, wann immer er möchte!? Als immer mehr der Figuren, die allesamt auf dem Vorsatzpapier vorgestellt werden, auf der linken Seite auftauchen, wird es dort ziemlich wimmelig und eng. Auch für den Aufpasser - sein äTut mir leid, aber ich führe nur einen Befehl ausô ist angesichts der bunten Menschenmenge bald überholt und vergessen. Er macht eine Ausnahme und wird zum Helden der feiernden Menge, die nun für ihn einsteht. Auch dann, als der General plötzlich in die Geschichte reitet. Und der General, der die rechte Seite für sich allein wollte, um der Held in diesem Buch zu sein? Der stürzt vom sprichwörtlich hohen Ross und steht am Ende ganz alleine da - ohne seine Soldaten, ohne sein Pferd, ohne den Aufpasser und erst recht ohne die Sympathien der Lesenden. All das erzählen Isabel Minhós Martins und Bernardo P. Carvalho in wenigen, knappen Dialogen in farbigen Sprechblasen und mit knallbunten, überwiegend mit Filzstiften gezeichneten Figuren, die an Kinderzeichnungen erinnern. Auf diese Weise gelingt es, ernste Themenfelder wie Diktatur, Willkür, Machtmissbrauch und blinden Gehorsam mit einem schelmischen Augenzwinkern offenzulegen und ohne ausschweifende Erklärungen oder erhobenen Zeigefinger zu konterkarieren. Denn gerade der bewusst gesetzte Kontrast zwischen der Ernsthaftigkeit des Themas und der ulkigen Figurenzeichnung regt zur (philosophischen) Auseinandersetzung an.
Personen: Carvalho, Bernardo P. Hauffe, Franziska Minhós Martins, Isabel
Standort: Bibl.u. Mediens
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Hier kommt keiner durch! / Isabel Minhós Martins ; Bernardo P. Carvalho. Aus dem Portug. von Franziska Hauffe. - Leipzig : Klett Kinderbuch, 2016. - 36 ungezählte Seiten
ISBN 978-3-95470-145-2
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