Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html)
Autor: Anna Goiginger;
Die zwei Gesichter vom Leben am Land. (DR)
Gleich vorweg: Die Geschichte der »Infantin« wird NICHT weitererzählt. Helena Adler distanziert sich entschieden davon, das neu erschienene Buch als Fortsetzung des Vorgängerwerks einzuordnen. Vielmehr ist es ein Nachdenken über die Ambivalenz des ländlichen Lebens: Ist das Aufwachsen am Land ein unglückseliges Los oder doch ein Segen? Antworten versucht sie anhand der Protagonisten aufzuzeigen. Fretten ist Programm. (Wem dieses Verb nicht allgebräuchlich ist: Es bedeutet so viel wie »sich plagen, sich abmühen«.) Die Protagonistin reibt sich unermüdlich auf. Hineingeboren wird sie in einen elendigen, perspektivlosen Clan, dem sie alsbald den Rücken zukehrt, um sich einer Bande Jugendlicher anzuschließen, die für Krawall in der Provinz sorgt. In all der Rohheit des Überlebenskampfes gebiert die Protagonistin einen Sohn, der ihr neue Lebenskraft einzuhauchen scheint und an dessen Existenz sie letztlich auch all ihre Hoffnung knüpft.
Ganz grundsätzlich zeichnet Adler mit Worten das Mühsal, sich am Leben zu halten und nicht zu verschwinden, nach. Die Grundstimmung ist düster, das Setting schaurig, das Landleben eine Bürde, die man sich nicht freiwillig auferlegt. Lichtblicke gibt es dennoch und im Grunde sei es schlussendlich eine Frage der Perspektive. Sarkastisch und voll an Witz dekonstruiert Adler die provinzielle Idylle und lässt teilhaben am Durchhalten in dieser bigotten Einöde. Überspitzt, aber doch mit einigen Seitenhieben, die die überfällige Auseinandersetzung mit eingefahrenen Triebmotiven des Landlebens auf dem Silbertablett darreicht.
Personen: Adler, Helena
Adler, Helena:
Fretten : Roman. - Salzburg : Jung und Jung, 2022. - 177 Seiten. -
ISBN 978-3-99027-271-8
Romane, Erzählungen, Novellen (dt.) - Signatur: DR - Buch