Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html) Autor: Ursula Pirker; Ein aus dem Irak geflüchteter junger Mann berichtet über seine Erfahrungen in Deutschland. (DR) Der Protagonist Said Al-Wahid ist über abenteuerliche Wege aus dem Irak nach Deutschland geflohen und sieht seinem Schöpfer Abbas Khider nicht nur sehr ähnlich, sondern scheint auch einige Passagen seiner Biografie mit ihm zu teilen. Khider selbst möchte seinen Roman allerdings nicht als autobiografisch gedeutet sehen. Said Al-Wahid hat in Deutschland Fuß gefasst und ist gerade auf dem Weg von einer Veranstaltung, als er von seinem im Irak verbliebenen Bruder informiert wird, dass die Mutter im Sterben liegt. Said, der sich in den Jahren der Flucht angewöhnt hat, seinen Pass immer dabei zu haben, fährt direkt zum Flughafen, um nach Bagdad zu fliegen. Die Bedeutung seines mühsam erlangten deutschen Passes und die Sorgen über das, was ihn in Bagdad erwartet, regen viele Gedanken und Erinnerungen an. Nach und nach erschließt sich den Leser*innen die Dramatik seiner jahrelangen Flucht über Jordanien, Libyen, Ägypten und viele andere Länder, die schließlich in Deutschland endet. Er holt in Deutschland sein Abitur nach und kann sogar studieren. Er hat eine deutsche Frau und ein gemeinsames Kind und doch ist er und bleibt er der ausländisch aussehende Mann, der immer zuerst verdächtigt wird, dessen Papiere ständig kontrolliert und angezweifelt werden. Die Erinnerungen an die Zeit mit seiner Familie in Bagdad sind geprägt von der politischen Hinrichtung seines Vaters, als er gerade einmal acht Jahre alt war. Danach wird die Familie von allen Seiten geächtet und kann sich kaum am Leben erhalten. Seine Mutter hat er nur mit ernstem Blick in Erinnerung und es ist erschütternd zu erfahren, dass sie ihrem eigenen Sohn empfiehlt, zu flüchten und nie mehr heimzukommen. Leider kann ihm auch Jahrzehnte später sein Bruder nur den Rat geben, Bagdad so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Die inhaltlich sehr bedrückende Handlung kommt mit einer ungeahnten Leichtigkeit, teilweise auch mit Witz daher. Es ist das besondere Geschick von Khider sowie seines Protagonisten Said Al-Wahid, der es versteht, seine Erinnerung ein wenig erträglicher zu machen. Vielleicht hat sich alles so zugetragen, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht sind alle Erinnerungen nur gefälscht. Auf jeden Fall sind sie bedeutsam. Ein packender Roman. Sehr empfehlenswert.
Rezension
Personen: Khider, Abbas
Khider, Abbas:
¬Der¬ Erinnerungsfälscher : Roman / Abbas Khider. - München : Carl Hanser, 2022. - 125 Seiten
ISBN 978-3-446-27274-3
Romane, Erzählungen, Novellen - Signatur: DR Khid - Buch