Quelle: Alliteratus (http://www.alliteratus.com/) Autor: Carmen Seehafer; Nein, der kanadische Fotograf und Journalist Robert Galbraith hat den Kriminalroman "The Cuckoo's Calling" nicht geschrieben, obwohl er ursprünglich auch aus Großbritannien stammt. Vielmehr handelt es sich bei dem Autor Robert Galbraith um einen ehemaligen Ermittler der englischen Militärpolizei, der schon seit 2003 im zivilen Sicherheitssektor arbeitet, sich also mit der Arbeit eines Privatdetektivs bestens auskennt - so behauptete es zumindest der britische Verlag, in dem das Werk im April 2013 erschien. Als "The Sunday Times" dann am 14. Juli 2013 enthüllte, wer diesen Roman tatsächlich geschrieben hatte, der bis dato zwar recht ordentliche Kritiken bekam, sich aber nur schleppend verkaufte, war die Überraschung groß. Am meisten freute sich höchstwahrscheinlich der Münchner Blanvalet Verlag, denn bereits vor Monaten hatte er sich günstig die Rechte an dem vermeintlichen Romandebüt gesichert. Dass nun die Bestseller-Garantin Joanne K. Rowling hinter der Verfasserschaft steckt, kann nur als Glücksfall bezeichnet werden; denn nach Angaben des "Focus" bezahlte der Verlag für die Rechte der deutschen Übersetzung lediglich eine Summe im vierstelligen Bereich. Enthüllt wurde die wahre Identität des Robert Galbraith offenbar, weil ein Mitarbeiter der Kanzlei, die J. K. Rowlings Rechte vertritt, der besten Freundin seiner Frau gegenüber ausplauderte, wer sich hinter dem angeblichen ehemaligen Ex-Soldaten Robert Galbraith verbarg. Die wiederum twitterte es in die Welt hinaus; und "The Sunday Times" hörte dann sozusagen den Kuckuck rufen. J. K. Rowling was not amused, doch das Buch verkauft sich seitdem wie von selbst. Dabei hat es dem Buch wohl gut getan, daß des im Vorfeld seines Erscheinens nicht wieder denselben großen Bahnhof gab, wie es bei "Ein plötzlicher Todesfall" der Fall war, sondern eher ein wenig britisches Understatement waltete: die Erwartungen an das vermeintliche Erstlingswerk blieben realistisch, und sie wurden übertroffen. Die Geschichte um Cormoran Strike, ehemals "Sonderermittlungseinheit der Militärpolizei () Hochdekoriert", der mit seinen 32 Jahren bereits der "Gezeitenkraft des Militärlebens" trotzen musste, in Afghanistan ein halbes Bein verlor und sich nun in London als Privatermittler durch-schlägt, fesselt von Anfang an. Das tut sie, weil J. K. Rowling ihre Figuren so facettenreich und lebendig zu schildern versteht, dass sie den Leser nicht gleichgültig lassen. Und angenehm ist: meistens mag man diese Figuren. Ob es nun Strike selbst ist: unehelicher Sohn des Rockstars Jonny Rokeby, "hundert Kilogramm ungepflegter Mann", unbedingt ein Kerl, mit dem man gern ein Bier trinken würde. Oder seine frischverlobte Sekretärin Robin Ellacott, die eigentlich nur als Überbrückungskraft von einer Zeitarbeitsfirma geschickt wurde, nun aber Geschmack am Detektivspielen findet. Oder auch das Todesopfer selbst: Lula Landry, ein überirdisch schönes Model mit einem Teint wie Cappuccino, das sogar im Tod noch eine gute Figur macht, indem es in einer Kreation vom angesagten Londoner Designer Guy Somé vom Dach fällt (wie die Boulevard-Blätter sofort eiligst vermerken) - diese drei und alle anderen Romanfiguren sind Menschen, die sorgfältig und auf tiefem Hintergrund gezeichnet sind. (Rowlings Talent, Frauenkleidung sehr genau zu beschreiben, weckte übrigens schon vor der Enthüllung des Pseudonyms bei manchen Amazon-Kunden, die ihre Meinung über "The Cuckoo's Calling" hinterließen, den Verdacht, so könne kein Mann schreiben, erst recht kein ehemaliger Soldat.) Nun ist es schwer, das Wissen, wer das Buch tatsächlich geschrieben hat, beim Lesen ganz aus dem Kopf zu bekommen. Ganz zwangsläufig muss man, wenn man liest, wie der Ermittler, seine Assistentin, die Tote und die anderen Romanfiguren beschrieben werden, auch an die gründlichen Personenskizzen in "Ein plötzlicher Todesfall" denken, die ja die große Stärke des Buches waren. Und auch die unleugbar vorhandenen gewissen Längen des vorliegenden Romans erinnern an den etwas zu weitschweifig ausfallenden ersten Teil des siebten und letzten Harry-Potter-Bandes. Und man wird jedesmal hellhörig, wenn wiederholt die Rolle der Medien zur Sprache kommt, denn es ist klar: hier schreibt eine, die weiß, wie es sich mit der ständigen Wahrnehmung und sogar Verfolgung durch die Presse lebt. Schiebt man das alles jedoch zur Seite, dann bleiben 638 Seiten gut gemachte Unterhaltung der eher gemütlichen britischen Art eines DCI Lewis oder DCI Barnaby, die zum Ende hin aber deutlich an Spannung aufnimmt. Man darf sich also auf das nächste Buch von Robert Galbraith freuen; es erscheint in Großbritannien am 19. Juni 2014 und trägt den Titel "The Silkworm" (Die Seidenraupe). In der dann schon bewährten Besetzung gehen Cormoran Strike und seine Assistentin Robin Ellacott auf die Suche nach dem verschwunden Romanautor Owen Quine. Es geht dabei auch um ein brisantes Manuskript - und wer sollte sich damit nicht besser auskennen als Robert Galbraith! Für das Hilfsprojekt "The Soldiers' Charity" hatte der peinliche Geheimnisverrat in J. K. Rowlings Anwaltskanzlei übrigens noch ein erfreuliches Nachspiel: Ein Londoner Gericht verurteilte die Kanzlei zur Zahlung einer Entschädigungssumme, die ganz im Sinne des Understatement schlicht als "groß" bezeichnet wird. Die Autorin spendet dieses Geld sowie einen Großteil der mit dem Buch eingenommenen Tantiemen dieser Hilfsorganisation für britische Soldaten.
Rezension
Personen: Galbraith, Robert Bergner, Wulf ª
Galbraith, Robert:
¬Der¬ Ruf des Kuckucks / Robert Galbraith. Wulf Bergner. - 1. Aufl. - München : Blanvalet, 2013. - 637 S.
ISBN 978-3-7645-0510-3
Kriminalromane - Signatur: DK Gal - Buch