Chidolue, Dagmar
Nicht alle Engel sind aus Stein
Buch

Quelle: 1000 und 1 Buch (http://www.1001buch.at/) Autor: Inge Cevela; Annotation: Streng an der Wahrnehmung der 10-jährigen Wanda entlang erzählt Chidolue in bildreicher, sehr präziser Sprache vom labilen Lebenswillen der manischen Mutter; von der völligen Überforderung im Verantwortlichsein ebenso wie von den philosophischen Überlegungen eines "begabten Kindes". Rezension: Engel sind Zwischenwesen. Zwischen Himmel und Erde. Nicht Gott, nicht Mensch. Wandas Mutter wirkt manchmal auch wie so ein Zwischenwesen. Nicht ganz von dieser Welt. Zu wenig Bodenhaftung, Erdnähe. Immer ein wenig gefährdet, aus allen Wolken zu fallen hinein in einen Abgrund aus Traurigkeit, der die Lebensenergie einfach verschluckt und den Kreislauf des Blutes zum Stehen bringt. Zu viel Todesnähe. "Die Mama benimmt sich so, als wäre sie fünf Jahre alt. Wir müssen dauernd auf sie aufpassen. Als ob ich ihre Mutter wäre. Und Papa ihr Vater." (S. 121) Die zehnjährige Wanda versucht tapfer mit der von ihr wahrgenommenen Verantwortung fertig zu werden. Eine ganze Erzählung lang widmet sich Chidolue sehr strikt Wandas Perspektive. Weder erfährt man Genaueres über das manisch-depressive Krankheitsbild der Mutter noch gibt es in der schwierigen Phase der erzählten Zeit für Wanda eine Freundin, die dem reflexiven Umgehen dienlich wäre. Wanda ist allein. Ihr Vater Reisender in Sachen Büchern. Ständig fingern Wandas Gedanken und Gefühle der mütterlichen Stimmungslage hinterher. "Es ist so einfach mit Papa. Er ist immer wie eine einzige Person. Die Mama ist wie viele." (S. 153) Kein Handlungsfaden unterbricht Wandas Sorgenfluss. Ein freundlicher Ausblick steht wohl am Schluss: Der Vater wird in der Stadt bleiben, er hat auf Drängen der Mutter eine Buchhandlung eröffnet. Die Last der einsamen Tage und der allein getragenen Verantwortung schrumpft. Erwachsenenleben mit Erwachsenensorgen beeinflussen Kinderleben und Kindersorgen. Beschrieben in Sätzen, die einem ob ihrer Dichte und Bildhaftigkeit manchmal den Atem nehmen, weil so fühlbar wird, wie sehr hier einem Kind das Recht auf eigenes Leben genommen wird: Die genaue Beobachtung der Mutter, ständiges Lesen in und hinter ihrem Gesicht. Auf tausend Zeichen achten. Deuten, rätseln. Und wenn alles gut geht, sich bloß nichts anmerken lassen. Nicht, dass man sich gefürchtet hat vor dem Unaussprechlichen. Und plötzlich sitzt sie im Kopf. Diese Frage, die nicht erlaubt ist, weil hier ernsthaft Kinderbuchkritik geschrieben werden soll. Und doch: Welches Kind mag sowas lesen? Laut würde ich diese Frage natürlich nicht stellen. ---- Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html) Autor: Josefine Weninger; Wanda hat Probleme mit ihrer seelisch labilen Mutter. (ab 9) (JE) Die ungefähr 10-jährige Wanda hat häufig Angst; Angst um ihre Mutter, die manchmal ganz plötzlich "umkippt" und dann ins Krankenhaus gebracht werden muss. Auch sonst ist die Frau für das Kind oft unberechenbar, macht seltsame Dinge und spricht oft von ihrem Tod, obwohl sie angeblich ganz gesund ist. Das Einzelkind Wanda bleibt mit seinen Sorgen ziemlich alleine, weil der Vater Handelsreisender ist und nur am Wochenende nach Hause kommt. Bei einem Urlaub an der Nordsee wird Wanda schmerzlich bewusst, dass sich ihre Mutter wie ein Kind benimmt, während sie, das eigentliche Kind, immer die Rolle der Vernünftigen, Starken übernehmen muss. Als der Vater am Wohnort eine Buchhandlung aufmacht, besteht Hoffnung, dass sich die Situation für das Mädchen etwas entspannt. Die große Stärke des Buches ist die Klarheit und Unmittelbarkeit der Sprache mit der Wandas Lebens- und Gedankenwelt geschildert wird. Das Mädchen ist hin- und hergerissen zwischen Bewunderung und Wut gegenüber der egozentrischen Mutter, gewinnt aber gegen Ende des Buches an Zuversicht und Sicherheit. Es gibt keine dramatischen Auftritte und Krisen in dieser Geschichte, aber gerade die unspektakulär erzählten Alltagsszenen machen betroffen. Trotzdem ein Buch, dem das Prinzip Hoffnung nicht fehlt.


Rezension


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Personen: Chidolue, Dagmar

Chidolue, Dagmar:
Nicht alle Engel sind aus Stein / Dagmar Chidolue. - Hamburg : Dressler, 2000. - 175 S.
ISBN 978-3-7915-0396-7

Zugangsnummer: 685
Romane, Krimis, Erzählungen und Novellen - Signatur: DR Chi - Buch