Einleitung
Die amerikanischen Psychologen Feingold und Mazzella wiesen anhand von 222 Einzelstudien nach, dass sich die Körper-Unzufriedenheit bei Frauen innerhalb von 50 Jahren nach Kriegsende dramatisch gesteigert hat.[1] Auch Ess-Störungen nahmen rapide zu. Kaum eine Kultur ist so stark körperfixiert wie die westliche. Der Körper soll Selbstzufriedenheit ermöglichen, Sympathie und Liebe erwirken, er soll zu Erfolg und Ansehen verhelfen und als Lustobjekt taugen. Dabei soll er fit und gesund sein, aber in erster Linie schön. Dies betrifft insbesondere Frauen, jedoch zeigt sich zunehmend auch bei Männern eine steigende Unzufriedenheit mit ihrem Körper. Ein Psychiater-Team an der Harvard Medical-School untersuchte die zunehmende Körper-Verzweiflung der Männer in den USA und in Europa und stieß immer wieder auf das auch bei Männern weit verbreitete Eingeständnis: "Ich hasse meinen Körper". Was bei Frauen schon lange nachgewiesen ist, nämlich dass ihre Körperunzufriedenheit in den letzten Jahrzehnten anstieg, wird jetzt auch bei Männern festgestellt. 1972 waren nach einer amerikanischen Studie nur 15 % der männlichen Probanden mit ihrer Gesamterscheinung unzufrieden. 1997 dagegen hatte sich dieser Anteil schon verdreifacht. Bei den weiblichen Probanden war ein Anstieg von 25 % im Jahr 1972 auf 56 % im Jahr 1997 festzustellen. Außerdem zeigte die Studie auch, dass 40 % der befragten Männer mindestens die Hälfte ihrer Freizeit damit zubrachten, ihr Gewicht unter Kontrolle zu halten, 58 % hatten bereits eine Diät hinter sich und 4 % brachten sich zum Erbrechen, um nicht zuzunehmen.[2] Das Auftreten von Körperverachtung und -ablehnung und das Phänomen der Körperschemastörung, bei gleichzeitiger exzessiver Beschäftigung mit dem Körper, ist in dieser Form historisch einmalig. Nicht-westliche Kulturen kennen sie nicht in dieser Weise und in Entwicklungsländern ist Magersucht rar, bei schwarzen Amerikanerinnen selten, und auch in der ehemaligen DDR kam sie kaum vor. Dies legt nahe, dass diese Störungen mit den sozialen Lebensformen zusammenhängen. Während in nicht-westlichen Gesellschaften die Beschaffenheit des Körpers kaum ein Thema ist, stehen die Menschen in den Industrienationen unter dem Diktat, schlank sein zu müssen. Will man zu einer bestimmten Gruppe in der Gesellschaft gehören, setzt das nicht selten intensive Arbeit am Körper voraus. Es gibt bereits viele Möglichkeiten, derer man sich bedienen kann, um den Körper zu verändern. Das beginnt beim einfachen Make-up, geht über Diäten und Fitnesstraining, bis hin zu gefährlichen Schönheitsoperationen. Doch was führt dazu, dass der Körper so in den Fokus gesetzt wird wie in unserer westlichen Gesellschaft? In meiner Arbeit beleuchte ich die Thematik Essstörungen im Zusammenhang mit soziokulturellen Faktoren. Zunächst setze ich mich mit dem Begriff "Schönheit" auseinander und zeige daraufhin auf, dass das Verständnis von Schönheit starken kulturellen und epochalen Veränderungen unterliegt. Anschließend zeige ich am Beispiel der kosmetischen Chirurgie auf, in welchem Maß in unserer heutigen Zeit Manipulationen am Körper vorgenommen werden, um dann näher auf die heutige Sicht auf den eigenen Körper einzugehen und darauf, wie die Medien diese Sicht beeinflussen können. Daraufhin befasse ich mich ausführlich mit der Thematik Essstörungen. Die verschiedenen Arten von Essstörungen wie Magersucht, Bulimie, Binge-Eating-Störung, Adipositas und die Körperschemastörung werden mit ihrer Symptomatik und Diagnostik vorgestellt. Anschließend geht es darum, wie Essstörungen behandelt werden können und welche Möglichkeiten der Prävention bestehen. Dabei gebe ich zuerst einen Überblick über verschiedene Behandlungsmodelle und -ansätze, indem ich diese kurz umreiße und beschäftige mich daraufhin näher mit den sozialpädagogischen Möglichkeiten der Intervention bzw. Prävention. In diesem Zusammenhang stelle ich drei Projekte zur Primärprävention von Essstörungen vor, wobei mein Fokus jedoch auf dem Projekt zur Primärprävention von Magersucht (PriMa) liegt, welches sich an Mädchen in der 6. Klasse richtet.
Personen: Dormann, S.
Standort: RÜD
CU 3400 D712-03
Dormann, S. ¬[Verfasser]:
Körperkult, Schönheitswahn und Essstörungen : Hintergründe und Ursachen, Möglichkeiten der Intervention und Prävention in der Sozialpädagogik und interdisziplinär / S. Dormann. - München : Grin, 2012. - 146 Seiten
ISBN 978-3-656-22235-4 kartoniert : EUR 44.99
Klinische Psychologie - Buch