Quelle: Pool Feuilleton; Bevor jemand über Literatur zu sprechen oder zu schreiben beginnt, sollte er die Quizfrage beantworten, welcher der drei Welten er angehört: Germanistik, Buchhandel oder Bibliothekswesen. Die drei haben nämlich meistens mit Literatur zu tun, aber sie unterliegen jeweils eigenen Gesetzmäßigkeiten. Daniela Strigl kümmert sich in ihrer Grazer Vorlesung zur Kunst des Schreibens um den akademischen Zugang zur Literatur, wiewohl sie als Schülerin des volksnahen Germanisten Wendelin Schmidt-Dengler mit einer sympathischen, hartnäckig klaren Sprache über Literatur zu räsonieren vermag. Die Schwerpunkte Biographie, Kritik und Essay sind dabei Stiefkinder des akademischen Forschungsbetriebs. Das Genre Biographie weitet die Autorin mit der Erkenntnis auf, dass eigentlich nur Männer erforscht werden. Ihre Beiträge zu Marlen Haushofer und Marie von Ebner-Eschenbach sind daher erst einmal Ausflüge in unbearbeitetes Forschungsgebiet. "Alles muss man selber machen" gilt auch für die Kontrolle der Quellen. In beiden Fällen ergeben sich bei Durchsicht von Briefen oder Scheidungsdokumenten verblüffende Einsichten. Hinter den jeweiligen Ehefassaden ticken die Dichterinnen ganz anders. Was auf den ersten Blick als Herumwühlen in privaten Dokumenten ausschaut, ergibt letztlich profunde Erkenntnisse über Schein- und Sein im Literaturbetrieb. Im Kapitel Kritik kann die Autorin mit ihrer Unabhängigkeit punkten. Da sie nach der Methode Freelancer arbeitet, kann sie fallweise auch Bücher ablehnen. Am Fallbeispiel André Heller zeigt sich ein dichtes Netz von Meinungsmachern, Geld und Verkaufsstrategien, was eine rein literarische Wertung unmöglich macht. Kritik bedeutet auch Selbstkritik, so rutschen einem immer wieder Modewörter in die Rezension, wenn man übermüdet ist oder zu viel an einem Tag schreibt. Der Essay schließlich wird oft als un-germanistisch abgetan, wenn er zu scharf denkt. Ein Essay braucht vor allem Haltung und Trotz. In jedem Empörungsaufsatz muss ein Michael Kohlhaas stecken, damit die Sache nicht vorzeitig versickert. Der Essay ist freilich Moden unterworfen, so kann man momentan alles über Bernhard schreiben aber kaum etwas über Eschenbach. Als Leser könnte man ergänzen: So tickt eben der germanistische Markt. Wenn du kein flaches Thema für die Masse hast, kriegst du keinen Lehrstuhl! Der Aufbau der Vorlesungen ist klug und animierend. Nach einem Überblick über die Materie, welche die Autorin als Grundlage für ihre Habilitation verwendet hat, gibt es konkrete Textbeispiele. In einem Diskussionsabschnitt sind dann jeweils unverfroren formuliert Statements aus normaler Lesersicht angegeben. Diese Argumente kennt vermutlich jeder, der mit Literaturvermittlung zu tun hat. Daniela Strigls Diskussionsbausteine sind ein höchst ausgefeilter Gedankenentwurf, der dem Leser genügend Raum lässt für Widerspruch und eigene Erfahrung. Helmuth Schönauer
Rezension
Personen: Strigl, Daniela
Strigl, Daniela:
Alles muss man selber machen : Biographie. Kritik. Essay / Daniela Strigl. - Graz : Droschl, 2018. - 150
ISBN 978-3990590126
Pädagogik - Signatur: PN Str - Buch