Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html) Autor: Christine Stöglehner; Ein kulturgeschichtliches Lese- und Reisebuch. (BA) Die eigene Familiengeschichte brachte Dietmar Grieser auf den Gedanken, sich im Land des neuen EU-Nachbarn umzusehen, um jene schicksalsträchtigen Verwandtschaften aufzuhellen, die das heutige Österreich nach wie vor mit dem alten Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien verbindet. Das Ergebnis, das mit diversen Schwarzweißillustrationen bestückt ist, kann sich sehen lassen. Franz Schubert, Gustav Mahler, Egon Schiele, Adalbert Stifter, Karl Kraus, Sigmund Freud, Franz Werfel, Robert Musil, Egon Erwin Kisch, Adolf Loos, Leo Slezak, Gregor Mendel, aber auch Bruno Kreisky, um die bekannteren zu nennen, hatten verwandtschaftliche, heimatliche oder sonstige Verbindungen zum ehemaligen "heimlichen böhmischen Reich". In gewohnter Brillanz mixt Grieser die historischen Episoden, die nach Regionen geordnet sind, mit den eigenen Reiseimpressionen. So spürt er beispielsweise Egon Schieles Aufenthalt in Krumau nach, welcher durch den exaltierten Lebensstil die missgünstigen Kleinbürger gegen sich aufbrachte und einen polizeilichen Ausweisungsbescheid provozierte. Ein weiterer pikanter Schauplatz, von Franz Werfel literarisch verewigt, ist das einstige Prager Nobelbordell in der Gemsengasse, in dem sich bekannte Juden, Tschechen und Deutsche tummelten. Goethes letzte Liebe, Ulrike von Levetzow, nimmt Grieser ebenso aufs Korn wie den berühmtesten Italiener Casanova, der seine letzten Jahre nicht gerade glücklich auf Schloß Waldstein im nordböhmischen Dux verbrachte. Der neue Grieser, der zwar über kein Personenregister verfügt, jedoch ein alphabetisches Vergleichsverzeichnis der deutschen und tschechischen Ortsnamen im Schlussteil bietet, garantiert ein spannendes Lesevergnügen mit vielen überraschenden Details. Für alle Bibliotheken. ---- Quelle: Bücherschau (Büchereiservice des ÖGB) (http://www.buecherei.at/) Autor: Frithjof Kammerer; Dietmar Grieser hatte selber eine böhmische, genauer: eine mährisch-schlesische Großmutter aus dem Hultschiner Ländchen, wie er höchst effektvoll im Vorwort darlegt. Die eigene Familiengeschichte habe ihn auf die Idee zu diesem Buch gebracht. Das Ergebnis ist eine farbige, unterhaltsame, in elegantem Stil geschriebene Kulturgeschichte am Beispiel bekannter und weniger bekannter Persönlichkeiten mit Wurzeln im "heimlichen böhmischen Reich". Franz Schubert, Gustav Mahler, Egon Schiele, Adalbert Stifter, Karl Kraus, Sigmund Freud, Franz Werfel, Franz Kafka, Egon Erwin Kisch, Adolf Loos, Leo Slezak, Maria Jeritza, aber auch Bruno Kreisky - um nur einige zu nennen - hatten heimatliche, verwandtschaftliche Bande zu "Böhmen", wobei Grieser auch Mähren und das ehemalige Österreichisch-Schlesien dazu nimmt. Das einst berühmte Prager Nobelbordell "Salon Goldschmied" in der Kamzíkova (Gemsengasse) hat das Interesse Griesers geweckt, da es Franz Werfel in der Erzählung "Das Trauerhaus" literarisch verewigt hat. Hier gingen Vertreter der Hocharistokratie, Geschäftsleute, Offiziere und namhafte Künstler ein und aus. Nicht nur Franz Werfel, Christian Morgenstern, auch Gustav Mahler oder der Startenor Alfred Piccaver hinterließen ihre "Duftmarken". Mahler freilich "gegen 4 Uhr früh in leicht derangiertem Aufzug" nur, um sich im Japanischen Zimmer ans Klavier zu setzen, ohne sich um die diensteifrigen Mädchen zu scheren, und zu komponieren und zu probieren. Was ihm hinterrücks den Spottnamen "Meschuggener" bescherte. Auch die Geschichte der "Eindeutschung" des "Wunderteam"-Stürmers Matthias Sindelar bringt dem Leser überraschende Erkenntnisse. In Kozlov im Bezirk Iglau kommt er als Matej indelár zur Welt. Seine Eltern wandern 1905 nach Wien aus. Der Vater verdingt sich als Bauarbeiter, die Mutter betreibt eine kleine Wäscherei. Bereits 1931 ist Matthias (seiner überschlanken Figur wegen der "Papierene" genannt) der umjubelte Star der Nationalmannschaft. 1938 nimmt er Abschied vom Aktivsport und gelangt mit Hilfe der NS-Behörden in den Besitz eines "arisierten" Wiener Kaffeehauses, dessen jüdischer Vorbesitzer im Lager Theresienstadt stirbt. 1939 stirbt Sindelar selbst, knapp vor seinem 36. Geburtstag, zusammen mit seiner Geliebten an einer Rauchgasvergiftung. Der plötzliche Tod gab Anlass zu wilden Spekulationen. Grieser unkt, dass man Sindelar wegen seiner NS-Kontakte sein Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof streitig machen könnte. Der neue Grieser ist wieder eine bereichernde Lektüre mit verblüffenden Informationen. Eine wirklich löbliche Fleißaufgabe ist die Konkordanz der Ortsnamen im Schlussteil, ein alphabetisches Vergleichsverzeichnis der deutschen und tschechischen Schreibweisen.
Rezension
Personen: Grieser, Dietmar
Grieser, Dietmar:
¬Die¬ böhmische Großmutter : Reisen in ein fernes nahes Land / Dietmar Grieser. - 3. Aufl. - München : Amalthea, 2005. - 272 S.
ISBN 978-3-85002-536-2
Historische Reiseberichte - Signatur: ER Gri - Buch