Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html) Autor: Leopold Haselbacher; Håkan Nesser einmal fast ohne "crime & thrill", dafür aber noch vielschichtiger und komplexer als sonst. (DR) Nesser stellt dem Roman ein Zitat von Alessandro Baricco voran: "Bei uns ist das so: Wenn man Bücher nicht in der Zeit erzählen kann, die eine Rasur dauert, dann ist es Literatur [...]". Danach tut er fast 600 Seiten lang alles, um genau solche "Literatur" zu schaffen. Denn es würde wahrlich um einiges länger dauern als eine Rasur, den Inhalt zu erzählen. Von Beginn an begleitet man Leonard Vernim, der todkrank ist, dabei, wie er nicht nur seinen 70. Geburtstag, sondern vielmehr seinen Abschied plant. Der Abschied soll in London steigen, wo er die beste Zeit seines Lebens verbracht hat. Die wenigen, die ihm lieb sind, sollen dabei sein. In Rückblenden erfahren die LeserInnen gleichzeitig mehr über die Jahre in der Zeit des Kalten Krieges und des Prager Frühlings. Darüber, wie Leonard in den Dunstkreis eines Spionagerings geriet und er Carla, die seine große Liebe werden sollte, fand und wieder verlor. Ab etwa der Mitte des Romans schleichen sich surreale Züge in die Handlung ein und der Name Lars Gustav Selén taucht auf. Vorübergehend tritt nun mehr und mehr dessen Lebensgeschichte, die in Schweden spielt, in den Vordergrund. Und obwohl klar ist, dass die beiden Stränge zusammengehören, braucht es seine Zeit, bis man beginnt zu verstehen. Der Text liest sich leicht und gut und ist trotzdem kompliziert. Er ist voller Anspielungen und zitiert immer wieder andere Werke oder verweist auf diese. Die Handlung folgt stets neuen Strängen samt dem dazu nötigen Personal und spielt zusätzlich auf verschiedenen Erzählebenen, die sich noch dazu vermischen. Darüber hinaus handelt das Buch auf einer dem nochmals übergeordneten Ebene von Fragen wie: Wie entsteht ein Buch? Wo verschwimmt die Grenze zwischen Wirklichkeit und Fiktion? Was ist überhaupt Wirklichkeit? Sicher ist dieser Roman eines von Nessers bisher kontroversiellsten Werken, das seine Fangemeinde bereits jetzt spaltet. Besonders die reinen Krimi- und Thrillerfans können wenig damit anfangen. Das sollte man beim Ankauf bedenken und eventuell sogar extra darauf hinweisen. Ansonsten ist das Buch aber in jedem Fall ein Tipp für alle, die gerne lesen und Abwechslung lieben.
Rezension
Personen: Hildebrandt, Christel Nesser, Håkan
Nesser, Håkan:
Himmel über London : Roman / Håkan Nesser. Christel Hildebrandt. - München : btb, 2013. - 571 S.
ISBN 978-3-442-75318-5
Romane, Erzählungen, Novellen (dt.) - Signatur: DR Nes - Buch