Knecht, Doris
Wald Roman
Buch

Quelle: bn.bibliotheksnachrichten (http://www.biblio.at/literatur/bn/index.html) Autor: Ingrid Kainzner; Privat und finanziell auf dem Nullpunkt, versucht eine einstmals erfolgreiche Designerin auf dem Land zu überleben. (DR) Marian hat sich mit Talent und Fleiß eine Existenz als Designerin geschaffen und kann sich ein relativ luxuriöses Leben leisten. Als sich 2008 die Wirtschaftskrise abzuzeichnen beginnt, ist sie überzeugt, dass ihr nichts passieren kann, und eröffnet sogar noch ein Geschäft in bester Citylage. In diese Zeit fällt auch die Trennung von ihrem Lebensgefährten und sie verliebt sich Hals über Kopf in Bruno, einen smarten Universitätsdozenten. Doch es scheint, als hätte sie sich sowohl geschäftlich als auch privat übernommen. Viele ihrer Kundinnen entdecken plötzlich den Charme kostengünstiger Labels und Bruno, der sie einem permanenten Wechselbad von Begehren und Abgrenzung ausgesetzt hat, verlobt sich mit einer anderen. Plötzlich steht sie allein mit einem riesigen Schuldenberg da, verliert Geschäft und Wohnung und verkriecht sich in ein Haus am Land, das ihr eine Tante vererbt hat. Dort muss sie buchstäblich von null beginnen. Der erste Winter wird zur Überlebensprobe. Ihre Situation verändert sich, als sie einen Gutsbesitzer kennenlernt, der sie unterstützt, dafür aber ihre sexuelle Verfügbarkeit erwartet. Nach der intensiven Erfahrung von Kälte, Hunger und Einsamkeit lässt sie sich ohne Zögern darauf ein. Lebendig, ironisch und doch nicht ohne Wärme schildert Doris Knecht die Entwicklung ihrer Protagonistin, die es nach dem Zusammenbruch ihrer bürgerlichen Existenz schafft, in diametral entgegengesetzten Lebensumständen Fuß zu fassen. Es ist faszinierend mitzuverfolgen, wie sie sich immer mehr praktische Eigenschaften aneignet, wozu in der ersten Zeit auch Hühnerdiebstahl und Wilderei zählen, schließlich Fischfang und Gemüseanbau. So gesehen ist "Wald" eine richtige Robinsonade. Allerdings bleibt der Roman in der Realität verankert. Marian hat, wenn auch spärlich, Kontakte zu den Leuten im Ort und die Beziehung zu Franz, dem Gutsbesitzer, ist eine handfeste pragmatische Angelegenheit. Doch nach und nach entsteht aus einem reinen Tauschhandel eine von gegenseitigem Respekt getragene Nähe. "Wald" ist so gut geschrieben, dass man sofort gefangen ist. In Marians Erinnerungen an ihr Leben vor dem großen Crash ist das Lebensgefühl des gehobenen Mittelstands (in diesem Fall in Wien) so präzise dargestellt, dass man meint, die Personen zu kennen. Und mit Marian hat Doris Knecht eine einprägsame Identifikationsfigur geschaffen, die man so schnell nicht vergisst. Ein großartiger Roman, der erstklassige Unterhaltung bietet und zeigt, wie intensiv das Leben nach einem ganz tiefen Absturz wieder schmecken kann. ---- Quelle: LHW.Lesen.Hören.Wissen (http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/320.asp) Autor: Markus Fritz; Was passiert, wenn man von einem Moment auf den anderen alles verliert, den Job, die Wohnung und den Mann, zeigt der Roman "Wald" der österreichischen Autorin Doris Knecht. Am Anfang des Romans treffen wir die Protagonistin Marian in einem abgelegenen Haus in den österreichischen Voralpen. Marian lebt primitiv, denn sie hat alles verloren. Früher, in der Stadt, war Marian Modedesignerin und lebte gut, dann trieben die Krise und eigene Fehler sie in den Bankrott. Der Versuch, im von der Tante geerbten Haus wieder zu sich zu finden, wird zum Überlebenskampf. Mühsam lernt sie, sich zu versorgen, sie fischt, wildert, stiehlt Gemüse und Hühner. Und sie muss sich arrangieren und gerät dadurch in eine neue Abhängigkeit. Der reiche Grundbesitzer Franz versorgt sie mit dem Nötigsten - nicht ganz uneigennützig. Er ist stark und weiß, wo es lang geht. Ihm gehört alles, auch sie. Ein Roman über eine Krise und den Versuch einer Frau, Klarheit über ihr Leben zu erlangen. Die Autorin wertet nicht: sie sagt nicht, dass das Leben auf dem Land besser sei als das Leben in der Stadt und umgekehrt. Der Roman überzeugt wegen seiner einprägsamen Bilder und durch seine intensive Sprache, die witzig und klar ist. ---- Quelle: Literatur und Kritik; Autor: Rainer Moritz; Zurück auf Null Doris Knechts Roman "Wald" Mit Wald knüpft Doris Knecht an Motivstränge ihres vorangegangenen Romans Besser an. Dort ging es nicht zuletzt darum, ein gesellschaftliches Wohlstandsmilieu zu schildern, das seine ihm innewohnende Hohlheit durch Präsentationen der Saturiertheit zu überdecken suchte. Marian(ne) Malin, die Hauptfigur in Knechts neuem Roman, bewegte sich jahrelang in solchen Schichten. Als kluge, ehrgeizige Modedesignerin war sie es gewohnt, von Erfolg zu Erfolg zu eilen. Ihr Label florierte, und nachdem sie in Wien einen eigenen Nobelshop in bester Lage eröffnet hatte, schien sie einen ersten Gipfel ihrer Biografie erklommen zu haben. Wald setzt ein, als Marian fast alle ihre alten Privilegien und Statussymbole verloren hat. Schuld an ihrem Elend ist die Finanzmarktkrise des Jahres 2008, deren Folgen sie falsch einschätzte und die sie als Angehörige der "sorglosen, gehobenen Mittelklasse" in den Zustand der Bedürftigkeit katapultierte. Wo man "unsichtbar zu werden hatte, wenn es anfing, einem schlechtzugehen", ist der Fall umso tiefer. Geblieben ist der gut Vierzigjährigen nur ein entlegenes Häuschen im Wald, das sie von einer Tante geerbt und rechtzeitig ihrer fernab von ihr lebenden Tochter Kim überschrieben hat. Was Doris Knecht mit ihrem Roman bezweckt, liegt auf der Hand. Sie versucht zu illustrieren, wie man in einer - wie es der Soziologe Heinz Bude vor kurzem nannte - "Gesellschaft der Angst" zurechtkommt, in einer Gesellschaft, wo sich die Furcht, ins Prekariat abzusinken, ausbreitet und wo selbst die scheinbar unantastbare Mittelschicht sich ihrer Sache nicht mehr sicher sein darf. Für Marian ist die Konfrontation mit ihrer Armut besonders drastisch, da sie sich aufgrund ihrer Intelligenz und ihres Tatendrangs stets vor solchen Niederschlägen gefeit fühlte. Einen ersten harten Winter hat die Eremitin Marian, die kaum noch Sozialkontakte hat, überstanden. Doris Knecht schildert ihren mühsamen Existenzkampf mit großer Liebe zum Detail und macht deutlich, mit welchen Widrigkeiten eine Frau, die sich zuvor vor allem mit "Luxusproblemen", mit "First World Problems" herumschlagen musste, zu tun hat. Mit einem Mal steht alles auf unsicheren Füßen; mit einem Mal muss sich Marian um alles selbst kümmern. Sie lernt Brot zu backen, Gemüse anzubauen, Hühner zu stehlen, das Abendessen aus dem Bach zu fischen, das dringend erforderliche Brennholz zu beschaffen und zumindest mit einigen der in der Nähe wohnenden, sie natürlich misstrauisch beäugenden Bauern vernünftig umzugehen. Die "gescheiterte Städterin", die anfangs dem Alkohol zu erliegen droht, findet sich nach und nach zurecht. Wieder an den Ursprüngen der westlichen Zivilisation angelangt, wägt sie genau ab, welche ihrer alten Lebensmaximen noch Gültigkeit haben. "Besser als nix" lautet ihr neues Motto, und als sie eines Tages dem wohlhabenden Gutsbesitzer Franz begegnet, überlegt sie nicht lange, wie sie mit dessen Avancen umgehen soll. Der verheiratete Mann wird ihr Geliebter und unterstützt sie fortan materiell. Ein Geheimnis kann das in der Gegend nicht bleiben; das Wort "Hur", das ein Unbekannter an Marians Tür schmiert, zeugt davon. Doris Knecht läuft natürlich Gefahr, Wald zum Thesenroman, zur fiktionalisierten Sozialstudie zu machen. Dass sie dem entgeht, hat vor allem mit ihrer Fähigkeit zu tun, der Figur Marian hohe Glaubwürdigkeit zu vermitteln und deren Alltag en détail wiederzugeben. Sich an ihr altes Leben zu erinnern, an die Jahre mit ihren Ex-Männern Oliver und Bruno, dazu hat Marian in ihrer Klause genügend Zeit, und diese reflektierte Rückschau ist es, die dem Roman seine über weite Strecken überzeugende analytische Kraft gibt. Zudem baut Knecht einen gewissen Spannungsbogen auf, indem sie gleich zu Anfang einen rätselhaften Unbekannten, Albert, einführt, der beabsichtigt, in der Nähe ein Gasthaus aufzumachen. Was es mit diesem Mann auf sich hat, das enthüllt das Romanende - mit einer leicht ins all zu Idyllische abdriftenden Wendung, die Marians Leben möglicherweise grundlegend verändern wird. Wald ist ein schnörkellos erzählter Roman, der nicht mit stilistischen Höhenflügen aufwartet. Dem, was es aus Marians neuem Leben zu erzählen gibt, ist diese Prosa angemessen. Was sind die echten Bedürfnisse eines Menschen? Lassen Sie sich von den falschen trennen? Was richtet der allgegenwärtige Konsum mit uns an? Kann man sich ihm auf Dauer entziehen? Das sind die Grundfragen dieses Romans, und es gibt nicht sehr viele Autoren, die in der Lage sind, daraus einen nicht ins Missionarische abgleitenden Plot zu bauen. Einmal freilich hätten Autorin und Lektorat genauer aufpassen und die Lust an der Detailfreudigkeit bremsen müssen: Als Marian auf Seite 67 zum Fischen aufbricht, nimmt sie als Wegzehrung ein Marmeladenbrot mit, das sie "in eine Seite aus dem Lidl-Prospekt" einschlägt. Gut zwanzig Seiten später stärkt sie sich und wickelt das Brot plötzlich aus "gutem, altmodischem Wurstpapier, gewachst und stabil". So erfährt das billige Prospektpapier eines Discounters eine überraschende Metamorphose. Überinterpretieren sollte man das nicht.


Rezension


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Personen: Knecht, Doris

Knecht, Doris:
Wald : Roman / Doris Knecht. - 2. Aufl. - Berlin : Rowohlt Berlin, 2015. - 270 S.
ISBN 978-3-87134-769-6

Zugangsnummer: 1733
Romane, Erzählungen, Novellen (dt.) - Signatur: DR Kne - Buch