Knecht, Doris
Weg
Buch

Quelle: LHW.Lesen.Hören.Wissen (http://www.provinz.bz.it/kulturabteilung/bibliotheken/320.asp); Autor: Markus Fritz; Heidi und Georg haben zusammen in Wien studiert und hatten eine kurze, aber heftige Affäre, aus der der Lotte hervorgegangen ist. Die beiden haben aber bald gemerkt, dass sie nicht zusammenpassen und haben sich getrennt. Heidi ist mit der kleinen Lotte nach Deutschland gezogen, Georg hat das Landgasthaus seiner Eltern übernommen und ist Koch geworden. Er hat eine neue Frau, Lea und drei Kinder. Das Gasthaus läuft gut, macht aber viel Arbeit, da Georg nur lokale Produkte verwendet. Lotte ist mittlerweile erwachsen und lebt in Berlin. Sie hatte in der Pubertät große Probleme, aufgrund übermäßigen Cannabiskonsums leidet Lotte unter Psychosen und muss daher regelmäßig Medikamente einnehmen. Abwechselnd wird aus der Perspektive von Heidi und Georg erzählt. Wir erfahren vieles über ihr jetziges und früheres Leben. Heidi arbeitet in einem Blumen- und Geschenkeladen. Eines Tages ruft Heidi an, dass Lotte verschwunden sei. Sie erfährt von Lottes Freunden in Berlin, dass sie einen neuen Freund hat und sich wahrscheinlich in Vietnam aufhält. Heidi ist alarmiert und befürchtet, Lotte würde wieder drogenabhängig werden. Sie überredet Georg, sie nach Vietnam zu begleiten. Nach langem Suchen finden sie Lotte schließlich in Kambodscha. Es geht ihr gut und sie hat ihre Bestimmung gefunden. Sie will mit ihrem neuen Freund Tobi dort leben. Ein gut geschriebener Beziehungsroman, in welchem das vielfältige Beziehungsgeflecht (zwischen Mutter und Tochter, zwischen Heidi und Georg und zwischen Georg und Lea) sehr gut zum Ausdruck kommt. Der Roman überzeugt vor allem durch die präzisen Figurenbeschreibungen. Für alle Bibliotheken geeignet. ---- Quelle: Literatur und Kritik; Autor: Rainer Moritz; Zwei ganz Verschiedene, mit Kind Doris Knechts Reise nach Vietnam Richtig zu leben, wie geht das? Mit wem und wo? Um diese je nach Blinkwinkel banalen oder philosophischen Fragen kreisen viele Texte Doris Knechts. Sie hat sich nicht nur mit ihren Kolumnen, sondern auch in ihren Romanen längst einen Namen gemacht als Spezialistin fürs Seelenleben der bürgerlichen Mittelschicht. Mal beschreibt sie, wie in Wald, den Abstieg einer scheiternden Geschäftsfrau, die zur mittellosen Eremitin wird, mal, wie in Alles über Beziehungen, das hypersexuelle Leben eines Kulturmanagers. Und immer waltet in diesen Erkundungen unserer Gesellschaft ein präziser Tonfall, der die Lebenslügen der Protagonisten schonungslos ausbreitet. Heidi und Georg stehen in Knechts neuem Roman weg im Mittelpunkt. In ihren Zwanzigern waren sie kurze Zeit miteinander verbunden, was viel mit Sex und wenig mit Liebe zu tun hatte. Doch in diesen »paar geilen Nächten« wurde eine Tochter gezeugt, sodass sie obwohl die Affäre schnell verpuffte fortan »zwei ganz Verschiedene, mit einem gemeinsamen Kind« sind, »für immer aneinandergeschraubt«. Längst sind beide sie gehen inzwischen auf die fünfzig zu ihre eigenen Wege gegangen. Heidi hat sich in eine hessische Kleinstadt zurückgezogen und weiß Martin an ihrer Seite, der gerade so ihr Irrglaube eine »Midlife Crisis light« durchläuft. Georg hingegen betreibt zusammen mit Freundin Lea in der österreichischen Provinz einen Gasthof, hängt der Slowfood-Bewegung an, weiß, was die irgendwie unzufriedenen Städter auf dem Land suchen und freut sich daran, wenn er selbstgepflückten Bärlauch unter buttrige Eiernudeln heben darf. Kontakt haben beide nur, wenn es um ihre inzwischen dreiundzwanzigjährige Tochter Lotte geht, die in Berlin studiert und nach schlecht bekommenem Drogenkonsum in ihrer Jugend psychisch gefährdet ist. So weit so gut und unspektakulär, mit einem Mal jedoch gerät das labile Gefüge gänzlich durcheinander: Lotte ist nicht mehr zu erreichen, scheint mit einem amerikanischen Freund in Vietnam untergetaucht und zwingt ihre Eltern quasi dazu, sich wieder miteinander zu verbünden und sich mit dem nächsten Flugzeug nach Saigon aufzumachen. So verlässt Doris Knecht nach einem Romandrittel ihr gewohntes Terrain der Mittelstands- und Patchworkdramolette und lässt ihre Figuren eine abenteuerliche Reise nach Asien antreten. Die von Flugangst gepeinigte Heidi muss dabei all ihren Mut zusammennehmen und das Löwenherz einer verzweifelten Mutter zeigen. Denn es geht ihr nur darum, die verlorene Tochter wiederzufinden, irgendwo zwischen den grünen Reisfeldern und den Großstadtslums von Saigon und Phnom Penh. Knechts Roman stellt dabei die Lebensweise ihrer Figuren, deren »Luxusprobleme« auf den Prüfstand. Was verändert sich, wenn man sein behagliches westeuropäisches Biotop verlassen muss und rasch merkt, auf welch dünnem Eis man sich bislang bewegt hat? Und was treibt Lotte in diese fremde Ferne, was hofft sie dort zu finden? Es spricht für Doris Knecht, dass sie in keinen moralinsauren Ton verfällt und den westlichen Wohlstand angesichts des Elends (und der Kriegsfolgen) in Vietnam und Kambodscha nicht kurzerhand diskreditiert. Wenn Sätze fallen wie »Hat Charlotte das alles auch gesehen? Sieht sie, wie gut es ihr zu Hause geht, wie privilegiert sie ist, spürt sie es hier? Dass sie eine verwöhnte, europäische junge Frau mit guter Krankenversicherung ist und eigentlich keine Sorgen hat«, dann bleibt stets klar, dass diese der Perspektive der anfangs verständnislosen Mutter folgen und kein schnelles Urteil fällen. Von all dem in schnellen Dialogen, mit genauem Blick für atmosphärische Nuancen zu erzählen, das macht die Qualitäten dieses Romans aus, der seinen Akteuren die Chance gibt, sich weiterzuentwickeln. Zu spät ist es vielleicht nie. Denn alles ist ein Lernprozess, das zeigt dieser auf ein überraschendes, bewegendes Ende zusteuernde Roman, und alles eine Frage der Perspektive, festgehalten im wiederkehrenden Motiv des Mopeds. In der Teenagerzeit diente es als Vehikel des ersehnten Ausbruchs aus provinzieller Enge, wohingegen die sieben Millionen Mopeds in Saigon schlicht das einzig sinnvolle Fortbewegungsmittel sind: »Wie man auf einem Moped fährt: Kommt darauf an, wo man geboren wurde, wie man lebt und wer man ist.« Wer plötzlich »weg« ist, begreift das offenbar schneller als die Daheimgebliebenen.


Rezension


Dieses Medium ist verfügbar. Es kann vorgemerkt oder direkt vor Ort ausgeliehen werden.

Personen: Knecht, Doris

Knecht, Doris:
Weg / Doris Knecht. - Berlin : Rowohlt Berlin, 2019. - 300 S.
ISBN 978-3-7371-0038-0 EUR 22.70

Zugangsnummer: 1951
Romane, Erzählungen, Novellen (dt.) - Signatur: DR Kne - Buch