Melancholie im erlesenen Ambiente, Fragen nach Schuld und Versagen und dazwischen Anekdotisches. (DR) 26 Prosatexte füllen den Band, manche nicht einmal eine Seite lang. Sie führen den Verfasser um die halbe Welt und in illustre Hotels, die auch von Prominenten als Domizil bevorzugt werden. Häufig bilden sie den gediegenen Rahmen für eine autofiktionale Erzählung oder die Selbstinszenierung des Erzählers. Unerwartete Begegnungen führen ihn zurück in seine Lebens- und Liebesgeschichte. Und immer wieder gibt es Hinweise auf eine vergangene große Liebe. Die großen Themen Schuld und Schuldbewältigung finden sich natürlich wie immer bei Schirach. Bei aller Wehmut jedoch hält der Autor sich an das dem »Zauberberg« Thomas Manns entnommene Motto, man möge um der Güte und der Liebe willen dem Tod keine Herrschaft über seine Gedanken einräumen. Die Funktion des Schutzes davor räumt der Autor auch den Geschichten ein, die Menschen einander selbst noch in dunklen Stunden erzählen. Thomas Mann und anderen Künstlern sind auch die kurzen, anekdotenhaften Texte gewidmet, die ein bisschen an Kleist’sche Kurzprosa erinnern. Es mischen sich kluge und inspirierende Formulierungen mit Allerweltsbemerkungen und Unterhaltsamem. Alles elegant formuliert, flüssig lesbar, angenehm dosiert – eine gute Lektüre vor dem Einschlafen oder für lange und melancholische Nachmittage.
Personen: Schirach, Ferdinand von
Schir
Schirach, Ferdinand von:
Nachmittage / Ferdinand von Schirach. - 4. Auflage. - Frankfurt am Main : Luchterhand-Literaturverlag, 2022. - 175 Seiten
ISBN 978-3-630-87723-5 Festeinband : EUR 22,00
Schöne Literatur - Buch