Am Ziel und doch nicht angekommen: eine erfolgreiche Schwarze in der Finanzbranche und die englische Oberschicht. (DR) Die namenlose Erzählerin, Nachkommin jamaikanischer Arbeitskräfte, die man nach England holte, hat den Aufstieg geschafft: Nach dem Studium ist sie in der Londoner Hochfinanz tätig, sie besitzt eine Eigentumswohnung in der Stadt und ist liiert mit einem Mann aus dem britischen Geldadel. Sie hat also alle möglichen Grenzen überwunden, mit denen die Einwanderergeneration vor ihr noch zu kämpfen hatte. Und doch trägt sie die britische Kolonisations- und Unterdrückungsgeschichte in ihrem psychischen und biographischen Rucksack, erlebt Rassismus und Sexismus auch in ihrem liberalen Umfeld, fühlt sich im wahrsten Sinne als Fremdkörper und möchte sich mit der Klasse ihres Partners keinesfalls gemein machen. Überdies verheimlicht sie ihm ihre Krebsdiagnose sowie ihre radikale Entscheidung, sich keiner rettenden medizinischen Behandlung zu unterziehen. »Lieber tot als britisch« scheint ihr etwas überraschendes Fazit zu sein. Eingebettet in die in schnellen Schnitten, quasi filmisch erzählte Romanhandlung finden sich immer wieder theoretische Aussagen zu unterschiedlichen und auch gleichzeitig erlebbaren Formen von Diskriminierung, was etwas lehrbuchhaft und zeigefingermäßig wirkt. Diese Zusätze hätte das schmale Buch gar nicht nötig gehabt. Ein Roman, der das Reflektieren der Leser*innen gleich mit übernimmt. Weniger wäre mehr gewesen.
Personen: Brown, Natasha Thomae, Jackie
Brown, Natasha:
Zusammenkunft : Roman / Natasha Brown ; aus dem Englischen von Jackie Thomae. - Berlin : Suhrkamp, 2022. - 113 Seiten
ISBN 978-3-518-43046-0 Festeinband : EUR 20,60 (AT)
Schöne Literatur - Signatur: Brown - Buch