Der 16jährige Fabian macht sich in den Ferien heimlich auf eine Reise. Während die Eltern ihn im Zug zu seinem Kumpel nach Hamburg vermuten, steht er in Stuttgart an der B27 und wartet auf ein Auto, das ihn für seine lange Fahrt nach Sylt mitnimmt. Im Gepäck hat Fabian die Urne seines Großvaters, dessen Asche er dort im Meer verstreuen will, denn in der Nordsee, so hatte es der geliebte Opa dem Jungen mehrmals anvertraut, möchte er am liebsten weilen, wenn seine Zeit gekommen ist. Wie es der Zufall will, hält nur eine junge Frau an: Alice, die Ausreißerin, die mit geklautem Auto und US-Führerschein dem Internat entkommen möchte, auf das ihre Eltern sie schicken wollen. Die Reise und die Abenteuer während der Fahrt sind für den Jungen der Weg zur Liebe und zur Verarbeitung des Todes seines meistgeliebten Menschen. Soweit die Theorie und die weithin deutliche Absicht des Autors. Die Praxis hält leider einige Enttäuschungen parat. So sei von Anfang an davor gewarnt, sich aufgrund des ansprechenden Themas - die Verarbeitung einer der schwierigsten emotionalen Herausforderungen für einen Menschen als flotter "Roadmovie-Roman" - zu hohe Hoffnungen zu machen. Es zeigt sich, dass jeder, der eine kurze Geschichte mit vielen Überraschungsmomenten in der Handlung und einen Streifzug durch die Gefühlswelt eines Jugendlichen sucht, wahrscheinlich von der Lektüre erfreut ist; das Buch bleibt aber trotz der vielen existenziellen Katastrophen und Höhepunkte, die Alice und Fabian erleben beziehungsweise von denen Fabian dem Leser berichtet, merkwürdig flach und lässt einen kaum berührt zurück. Der Grund hierfür ist nicht im Engagement des Autors zu suchen, denn dieser verarbeitet auf 140 Seiten die gesamte denkbare menschliche Erlebnis- und Gefühlspalette, vom Tod über häusliche Misshandlungen und potenziell tödliche chronische Krankheiten bis hin zu dramatischen Teenager-Eifersuchtsszenarien und der Frage nach dem Unterschied von sexueller Lust und Liebe. Problematisch für die Glaubwürdigkeit des Buches ist gerade der offensichtliche Wunsch, alles "Übel und Schöne der Welt" dem Leser durch die Sicht des Jungen vermitteln zu wollen. Dies führt dazu, dass die Figuren uneinheitlich geraten und man sich oftmals nicht vorstellen kann, dass ein- und dieselbe Person die genannten Handlungen vollzogen haben soll. So wird der Erzähler beispielsweise nicht müde zu beschreiben, wie er sich als Anpasser und "Feigling" durch sein ganzes Leben gefuchst habe, und macht damit die gesamte Rahmenhandlung, eine Urne nachts aus einem Grab zu schaufeln und damit nach Sylt zu trampen, fraglich. Es bleibt unklar, wen der Junge mit seiner Geschichte anspricht, und auch mancher Gedankenbruch - von vorurteilsbelasteten, sehr umgangssprachlichen Beschreibungen hin zu hoch reflektierten, von Erfahrungsreichtum strotzenden Überlegungen - ist schwer nachzuvollziehen. Empfehlenswert ist das Buch mithin lediglich als schnelle und leichte Unterhaltung, die emotionale Höhen und Tiefen auf einem Serviertablett vorbeiträgt. Wer literarisch hochwertige Auseinandersetzung mit den Gefühlen Jugendlicher sucht, muss dieses Buch nicht unbedingt zur Hand nehmen.
Altersempfehlung: ab 13 Jahren.
Personen: Elsäßer, Tobias
Elsäßer, Tobias:
Ab ins Paradies : Roman / Tobias Elsäßer. - 2. Auflage 2008. - Düsseldorf : Sauerländer, 2007. - 139 S.
ISBN 978-3-7941-8066-0 fest geb. : EUR 13.00
Jugendbücher ab ca. 13 Jahren - Signatur: JB 3 Elsäß - Buch