Der semifiktionale Roman schildert anhand eines in die Mühlen von Stalins Schauprozessen geratenen Paares den Alptraum eines totalitären Systems. (DR) Charlotte und Wilhelm sind deutsche Kommunisten, die in der Sowjetunion für den Nachrichtendienst der Komintern (Kommunistische Internationale) tätig sind. Im August 1936 befinden sie sich auf einer Schiffsreise nach Jalta. Sie sind erst eine Woche unterwegs, als Charlotte in der Prawda von Prozessen gegen vermeintliche Konterrevolutionäre liest und dabei auch den Namen eines guten Bekannten entdeckt. Ihm wird vorgeworfen, Anschläge auf Stalin, Molotow und andere geplant zu haben. Charlotte wird schwindlig, sie kann nicht glauben, dass dieser Mann ein Verräter ist. Und ihr ist klar, dass die Bekanntschaft mit ihm auch sie selbst und Wilhelm belastet. Zurück in Moskau werden sie ihrer Posten enthoben und im Hotel Metropol untergebracht. Hier quartiert die Partei in Ungnade gefallene Personen ein, wo sie auf ihren Prozess warten müssen. Anfangs sind Charlotte und Wilhelm zuversichtlich, dass sie bald rehabilitiert werden, sind sie doch überzeugte und verdiente Kämpfer für die Sache. Doch je länger das Warten dauert, desto größer werden Angst und Verzweiflung. Sie müssen zusehen, wie ein Gast nach dem anderen aus dem Hotel verschwindet. Die rationale, so gar nicht zur Hysterie neigende Charlotte zermartert sich unablässig den Kopf, was ihr und Wilhelm eigentlich vorgeworfen werden könnte und legt sich Argumente für ihre Verteidigung zurecht. Schließlich verliert das Paar jede Hoffnung. Apathisch und angekleidet liegen die beiden auf ihren Betten und warten, dass auch sie abgeholt werden. Eugen Ruge hat in seinem Roman einen Abschnitt aus dem Leben seiner Großmutter verarbeitet, die mit ihrem Mann von September 1936 bis Jänner 1938 im Metropol interniert war. Die beiden überlebten wie durch ein Wunder (oder einen bloßen Zufall) den stalinistischen Terror. Es erschüttert, wie fest die zu Unrecht Beschuldigten weiterhin an der Doktrin der Partei festhielten und manche sogar meinten, dass man den Genossen Stalin warnen müsste, da er sicher falsch informiert werde. Eine Parallele zu jenen Deutschen, die dachten, der Führer könne nichts von den Vorgängen in den KZs wissen, da er solches sicher nicht dulden würde, kann hier eindeutig gezogen werden. Tatsächlich ließ Stalin fast die gesamte Intelligenzija liquidieren, ein Aderlass, der fatale Auswirkungen auf den jungen Sowjetstaat hatte. Ruge erzählt souverän, eindringlich und ohne Pathos, wie die Revolution ihre Kinder verschlingt und hinterlässt damit bei den LeserInnen umso mehr Betroffenheit. Große Empfehlung.
Personen: Ruge, Eugen
Ruge, Eugen:
Metropol : Roman / Eugen Ruge. - 4. Auflage. - Reinbek : Rowohlt, 2019. - 429 S.
ISBN 978-3-498-00123-0 fest geb. : EUR 24.00
Romane; Probleme und Ereignisse unserer Zeit - Signatur: Ruge - Buch