Barth-Grözinger, Inge
Etwas bleibt
Buch

Ausgegrenzt, vertrieben, verjagt - am Ende passt alles, was den Levis noch geblieben ist, in einen Koffer. Basierend auf Tatsachen, exakt recherchiert, beschreibt Inge Barth-Grözinger das Schicksal einer jüdischen Familie in Ellwangen bis zu deren Emigration in die USA 1938 (ab 13) Es gibt Erfahrungen, die sind so unerträglich, dass Erinnerung unmöglich scheint. Narben für ein ganzes Leben. Über Generationen hinweg. Vertreibung ist eine davon. Und trotzdem. Etwas bleibt. Ein Sabbat-Teller. Wenige Spuren. Die Frage warum? Keine Antwort darauf. Und noch etwas bleibt nach "etwas bleibt". - Erinnerungen, die mehr geworden sind. Denn der erste Roman von Inge Barth-Grözinger, Geschichts- und Deutschlehrerin am Peutinger-Gymnasium in Ellwangen, ist Spurensuche. Exakt recherchiert. Zwischen Fiktion und historischer Realität. Kein Einzelfall, aber stellvertretend für viele andere: das Schicksal der jüdischen Familie Levi aus Ellwangen bis zu deren Emigration in die USA 1938. Aus Erichs Sicht - er ist zum Zeitpunkt der Machtergreifung 13 Jahre - schreibt die Autorin von den Anfängen. Von Ausgrenzung, Demütigung, staatlich verordneter Diskriminierung; von erst unterschwelliger Bedrohung, dann nackter Angst. Sie schreibt von Ohnmacht, Scham und der grenzenlosen Wut des Entrechteten. Dessen, der nicht fassen kann, was da passiert. Dessen, der sich nicht wehren kann. Sie schreibt davon präzise, nachvollziehbar, mit sparsamen Mitteln. Berichtet als kenntnisreiche, einfühlsame Chronistin, die unter anderem Zeitzeugen und Nachfahren der Levis interviewt hat, Details, den Tag-für-Tag-Wahnsinn in der schwäbischen Kleinstadt, in der jeder jeden kennt: der hämische Schuster an der Ecke; der überzeugte, eiskalt schikanierende Nazi-Lehrer; die Mitschüler, die den jüngeren Bruder Max als Judensau beschimpfen, Erich verprügeln - sie alle kommen vor. Und wenn die Eltern auf der Straße nicht mehr gegrüßt werden, wenn der Vater, der angesehene jüdische Viehhändler Julius Levi, vor Erichs Augen ein gebrochener Mann wird, gehört das zu den Erfahrungen ungeheuren Verlustes genauso dazu wie die Tatsache, dass einer wie Helmut, der Sandkastenfreund, Held sein muss, um Freund bleiben zu können; dass einer wie Erich seine Liebe nicht leben darf, weil Gertraud arisch ist, ein deutsches Mädchen. Dass er am Ende verjagt wird. Von der Schule. Aus der Heimat. Aus dem Leben, das er gerne gelebt hätte. Aber nicht leben durfte. In einer Überlebensgeschichte, die in vielerlei Hinsicht eine Geschichte der Auslöschung ist. Auch der Mensch, der Erich hätte sein können, bleibt bloß Erinnerung. Das ist der Focus des Romans. Und zugleich einer seiner besonderen Stärken. Nichts von alldem wird verschwiegen. Und trotzdem. "Wichtig ist, dass wenigstens etwas bleibt," schließt der Epilog. Die letzten beiden Worte sind titelgebend: "etwas bleibt". Bruchstücke eines vormals ganzen Satzes wie eine Metapher für das, was Inge Barth-Grözinger zuvor auf Hunderten von Seiten eindringlich beschrieben hat. Nichts Vollständiges, nichts Unbeschadetes mehr. Aber Ausdruck von Hoffnung. In einem wichtigen Roman. Weil etwas bleibt? Damit etwas bleibt. *ag* Christine Knödler


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Personen: Barth-Grözinger, Inge

Interessenkreis: Zeitgeschichte

Zba Barth

Barth-Grözinger, Inge:
Etwas bleibt / Inge Barth-Grözinger. - Stuttgart : Thienemann, 2004. - 446 S.
ISBN 978-3-522-17655-2 fest geb. : Eur 18,50

Zugangsnummer: 2013/0007 - Barcode: 2-9507323-9-00003766-2
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