Magisch-realistischer, fantasie- und figurenreicher Roman über die Lebenswege eines Geschwisterpaares, das auf einer Mülldeponie in Oaxaca aufgewachsen ist. (DR) Juan Diego, 54, erfolgreicher Schriftsteller und Dozent an der Universität Iowa City, ist unterwegs von New York über Hongkong nach Manila. Im Reisegepäck führt er Viagra und Betablocker mit. Viagra sind ihm nützlich, weil zwei Frauen - Miriam und ihre Tochter Dorothy - ihm immer wieder über den Weg laufen und ihm wie die mittelalterlichen Sukkuben besondere sexuelle Erfahrungen verschaffen. Die Betablocker lassen ihn so tief schlafen, dass mitreisende Fluggäste ihn bereits für tot halten. Juan Diego aber taucht während dieser Traumphasen tief in seine Vergangenheit ein. Der Wechsel zwischen der Gegenwart auf den Philippinen und der Jugend in Mexiko und den USA ergeben die Erzählstruktur. Todesfälle naher Angehöriger haben jeweils die Stationen von Juan Diegos Leben verändert. Aufgewachsen ist er mit seiner jüngeren Schwester Lupe auf einer Mülldeponie in Oaxaca, wo er sich aus weggeworfenen Büchern selber das Lesen und Englisch beigebracht hat. Als seine Mutter Esperanza beim Abstauben der überlebensgroßen Marienstatue von der Leiter in den Tod stürzt, kommen die beiden Kinder in den "Zirkus des Wunders", wobei dessen Wunder darin besteht, dass die Artisten Kinder sind und ohne Netz arbeiten. Dort stirbt Diegos Schwester Lupe 13-jährig durch einen Löwenbiss, nachdem sie heimlich und freiwillig in den Käfig gekrochen war. Lupe konnte aufgrund einer Kehlkopfanomalie nur unverständlich krächzen. Einzig Juan Diego verstand ihr Gebrabbel und musste stets übersetzen. Dabei übte er eine gewisse Zensur aus, denn Lupe konnte Gedanken lesen. Senor Eduardo, der sich selbst geißelnde angehende Priester, und seine Geliebte Flor, eine ehemalige Transvestiten-Prostituierte, nehmen nach der Auflösung des Wunderzirkus' Juan Diego als Adoptivkind mit nach Iowa. Neben der Ansammlung schrillster Figuren spielen auch die Tiere eine bedeutsame Rolle und sind Gegenstand grandios witziger Szenen: herrenlose Dachhunde, Drogenschnüffelhunde im Hotel, Aquarienbewohner, im Speisesaal vom Plafond fallende Geckos, Zirkuslöwen… - John Irving-Fans, die seine bisherigen 14 Romane mit ihrer speziellen Mischung aus komisch-traurig-exotisch-erotischen Elementen und ihrer zwar wortreichen, aber dennoch kurzweiligen Sprache genossen haben, werden auch diesmal garantiert nicht enttäuscht werden
Personen: Irving, John
SL
Irving, John:
Straße der Wunder : Roman
Zürich : Diogenes-Verl., 2016. - 775 S.
Schöne Literatur - Buch