Der Norweger Stian Hole ist Autor und Illustrator, sein neuestes, wunderschönes Buch heißt „Morkels Alphabet“. Auf dem Umschlag blickt ein Junge, gehüllt in Mütze, Norwegerpulli und Schal, der nur die braunen Augen freilässt, am Betrachter vorbei in den Raum dahinter. Der Blick ist tief, fern und gebannt, verrät nichts über den Gefühlszustand. Tut der Betrachter das Gleiche und schaut diesem jungen Menschen über die Schulter, sieht er nur einen weißen, offenen Grund. Und schlägt das Buch auf. Stian Holes Illustrationen spielen mit den Ebenen der Realität und der Fiktion, in „Morkels Alphabet“, aber auch in früheren Werken wie „Annas Himmel“ und „Garmans Sommer“, für das Hole 2010 in der Kategorie Bilderbuch den Deutschen Jugendliteratur erhielt. Der Künstler verarbeitet Fotos von Gegenständen, Mützen, Gesichtern, Blättern, Strukturen, mit ausschließlich gezeichneten oder gemalten Illustrationen. Zum Teil verfremdet er dabei beide Zutaten so sehr, dass man kaum mehr sicher ist, was die Mütze, das Gesicht, das Blatt nun ist, reale oder künstliche Welt. Dieser Irritation folgt das Begreifen, dass es eben nicht um die Zuordnung geht, sondern um das Spiel mit den Grenzen und dem Raum, den Hole seiner Geschichte zwischen diesen Welten schafft. Mit wenig Text und gänzlich ohne Erklärungen und Erläuterungen erzählt der Norweger, wie Anna auf einem Winteracker Zettel findet mit kurzen, ungewöhnlichen und sich zunächst kaum auf einander beziehenden Botschaften. „Hallo“, steht auf einem, „Die Laubsegler sind schon weg“ auf dem nächsten, dann „Wer bist du?“. Anna versucht herauszufinden, von wem die Zettel kommen. Morkel heißt der Junge, dem sie nun ebenfalls Botschaften hinterlässt. Über seine Spuren im Schnee findet Anna ihn schließlich in seinem Baumhaus. Sie freunden sich an und Anna erfährt, dass Morkel Tiere beobachtet und Wörter sammelt, nun immer öfter auch mit ihr. Ob er immer dort lebt, warum er dort lebt, erfährt man nicht und auch nicht, wie die Freundschaft, die Liebe sich anfühlt, als Morkel da, dann plötzlich weg ist und im Sommer darauf wieder zurückkommt. Diese Antworten und die Geschichte, die sich formt aus der Spur, die Hole gelegt hat, entstehen in der Vorstellung des Lesers und in dem weiten Raum dieser besonderen Bilder.
Personen: Kronenberger, Ina Hole, Stian
JD
Hol
Hole, Stian:
Morkels Alphabet / Stian Hole. Aus dem Norweg. von Ina Kronenberger. - München : Hanser, 2016. - [48] S. : überw. Ill.
ISBN 978-3-446-25100-7 fest geb. : ca. € 15,40
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