Sensationell und kriminell: Im Sommer 1999 machten zwei mit einem Metalldetektor ausgestattete Raubgräber in einem Forstgebiet in Sachsen-Anhalt einen spektakuären Fund an Schwertern, Beilen, Armreifen und einer Scheibe, die sie für das Mittelstück eines Schildes hielten. Die regulär nicht verkaufbare Metallplatte wanderte über verschiedene Hehler bis es verdeckten Ermittlern 2002 in Basel gelang, die Täter festzunehmen und den Schatz sicherzustellen. Unsachgemäße Bergung und Reinigungsversuche hatten ihr zugesetzt - das Staunen der Fachleute war dennoch enorm: Was die Wissenschaftler zutage förderten, war geradezu sensationell: Es handelt sich bei dieser mit Goldapplikationen verzierten Bronzeplatte um die älteste der Menschheit bekannte Himmelsdarstellung. Entstanden vor über 3600 Jahren, wurde sie mehrmals mit Elementen ergänzt. Das Kupfer stammt vom Mitterberg bei Mühlbach am Hochkönig, Gold und Zinn vermutlich aus Cornwall. Von reichen wie mächtigen Auftraggebern kann ausgegangen werden. Die handwerkliche Qualität der Arbeit beeindruckt, nach heutigen Kategorien fasziniert auch ihre künstlerische Ausdruckskraft. Über die astronomischen Aspekte (vielleicht ein Kalender für die Bestimmung günstiger Aussaatzeiten) und mögliche religöse Bezüge gibt es eine Vielzahl an Theorien. Am 18. Februar 2018 stand ich im Keltenmuseum Hallein vor dieser in einem eigenen Schauraum höchst eindrucksvoll präsentierten Scheibe. Tief beeindruckt, entstand noch am selben Tag die Idee zu einem Bilderbuch, in dem sich Astronomie und Religion, Alltag und Philosophie, Traum und Wirklichkeit begegnen. Nicht argumentativ, sondern fragend und staunend. In wenigen Tagen war der Text zum "Sternenboten" fertig. Tyrolia zeigte sich interessiert, erfreulicherweise auch Linda Wolfsgruber, die nach ersten Recherchen zur Himmelsscheibe ihre Arbeit aufnahm. Milchstraße mit Staubzucker: In ihrem Zugang zum "Sternenboten" hat sich Linda Wolfsgruber von der Ästhetik der Himmelsscheibe inspirieren lassen, um daraus einen gänzlich neuen Kosmos an Bezügen und Ideen zu schaffen. Die Form der Scheibe wird zum strengen Strukturprinzip, auf dem sie ein lustvolles Spiel im Wechsel von Perspektiven und Inhalten inszeniert. So wird die Kreisform einmal zum Teles- kop in die Weite des Universums, dann wieder zur Oberfläche eines Weihnachtskekses, zum Guckloch auf die Familie oder zur Folie eines Bildzitats. Ob Milchstraße oder Staubzucker - in ihrer künstlerischen Umsetzung gelingt Linda Wolfsgruber in unglaublicher Leichtigkeit die wesensmäßige Verknüpfung des unendlich Großen mit dem winzig Kleinen und rückt damit unmittelbar eine Erkenntnis ins Bild, mit der die Mysterikerinnen und Mystiker verschiedener Religionen seit Jahrhunderten sprachlich ringen. Kunst ist Transzendenz. In Linda Wolfsgrubers Bilder eintauchend, spürt man, wie sich in und hinter ihnen Räume öffnen, die sich der einfachen Benennung verweigern und doch geheimnisvoll spürbar uns und unser Leben meinen. Solche Bilder schenken Augenblicke, in denen wir uns fraglos mit der Welt verbinden.
Serie / Reihe: Kamishibai-Folien
Personen: Ehgartner, Reinhard Ehgartner Reinhard Wolfgsgruber, Linda
JD
Ehg
Ehgartner Reinhard:
Sternenbote : Kamishibai Folien / Ehgartner Reinhard, Linda Wolfgsgruber [Ill.]. - Innsbruck : Tyrolia, 2019 - (Kamishibai-Folien)
JD - KuJ-Belletristik