Davies, Norman
Verschwundene Reiche die Geschichte des vergessenen Europa
Sachbücher

In der Geschichte gibt es meist einen Mainstream, aus dem dann Sackgassen abbiegen und im puren Vergessen enden. Nach jeder Friedenskonferenz gibt es Sieger und politische Gebilde, die sprichwörtlich von der Landkarte verschwinden. Wo gehen all diese Staaten hin, die oft mit großer Hingabe gegründet worden sind? Norman Davies stellt unter dem magisch schönen Titel "verschwundene Reiche" fünfzehn Reiche vor, die in Europa teils über Jahrhunderte, teils nur eine Nacht lang eine Rolle gespielt haben. Dabei werden diese versunkenen Polit-Schätze in drei Schritten aufbereitet. Im ersten gibt es eine Darstellung der Gegend und der Gesellschaft, wie sie aus heutiger Sicht erkennbar ist, wenn man darüber etwa einen Touristen-Prospekt zu Rate zieht. Im zweiten Teil kommt das "vanished kingdom" zu Wort, wie es sich damals dargeboten hat. Und im drittel Teil wird untersucht, was davon in Erinnerung geblieben oder vergessen ist. Am Beispiel von Borussia lässt sich gleich zeigen, wie aktuell diese Methode ist. In der russischen Enklave Kaliningrad hat Preußen letztlich bis 1991 überlebt. Wir erfahren die Vorgänge, die zur Auflösung der Sowjetunion geführt haben, und erleben in Rückblenden, wie es vom Land der Prussai über den Ordensstaat durch die Hohenzollern schließlich zum Königreich Preußen gekommen ist. Letztlich bleiben nur ein paar Fußballvereine dieses glorreichen Namens und das berühmte Preußisch-Blau im Mal-Kasten. Völlig Zeit-dicht geht es bei der Eintags-Republik Ruthenien her. Als Hitler die Tschechoslowakei in die Auflösung bringt, bleibt ein Karpaten-Zipfel von Prag abgeschnitten. Schnell rufen beherzte Staatsgründer am 15. März 1939 die Republik Ruthenien aus. Für Fahne, Notverfassung und Referendums-Fahrplan reicht es gerade noch, dann marschieren schon die Ungarn ein und holen die Karpaten heim. Heute gilt die Gegend als eine der am meisten vergessenen Europas, nicht einmal die Ukraine-Krise kann sie ins Bewusstsein rücken, weil sie ja in den Wäldern rund um die Hauptstadt Chust versteckt ist. Ähnlich überschaubar ist es um das traditionsreiche Montenegro bestellt. Eines Tages müssen alte Mythen hervorgeholt werden, um aus dem Land vor allem aus touristischen Gründen wieder einen eigenen Staat dieses Namens auszurufen. Freilich bleibt das klassische Montenegro verschwunden. In einem Abspann sinniert Norman Davies darüber nach, wie Staaten eigentlich sterben. Wie im biologischen Tod gibt es vom multiplen Organversagen bis zur Liquidierung so ziemlich alles. Gängig sind Begriffe wie gescheiterte Staaten, Staaten die sich selbst auflösen, in dem sie neue Gebilde ausrufen. Manche Staaten wie Schweden schaffen es, nach der Größe im dreißigjährigen Krieg so unbedeutend zu werden, dass sie am Leben bleiben können. Andere wie Polen müssen stets schauen, so unverdaulich zu bleiben, dass sie nicht geschluckt werden können. Die UN ist letztlich das Organ, das das Meldewesen der Staaten organisiert. Ob ein Staat bestehen bleibt oder zerfällt, ist meist reine Glücksache, die von der Tagesverfassung der Welt abhängt. -Die verschwundenen Reiche sind ein abenteuerliches Geschichtsbuch hinein in jene Gegenden, die abseits des historischen Highways liegen! Helmuth Schönauer


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Personen: Davies, Norman Schuler, Karin (Übers.)

GE
Dav

Davies, Norman:
Verschwundene Reiche : die Geschichte des vergessenen Europa / Norman Davies. Aus dem Engl. von Karin Schuler ... - Darmstadt : Theiss, 2013. - 926, [32] S. : Ill., Kt. Vanished kingdoms
ISBN 978-3-8062-2758-1 ca. Eur 39,95

Zugangsnummer: 0028473001 - Barcode: 01031953
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