Lesenswerte Reiseschilderungen zur Förderung einer Erinnerungskultur, die vor allem abseits des westeuropäisch-nordamerikanischen Mainstreams intelligente und anschauliche Beiträge braucht. (EL) Im Titelzitat droht ein schwer Erkrankter in Bulgarien nicht mit der Auslöschung des Angesprochenen, sollte er die umgerechnet zehn Euro nicht erhalten, sondern mit seinem eigenen nahen Tod. Was brauchen europäische Menschen zum Leben, zum Er- und Überleben, stellt sich für den vielreisenden Salzburger die Frage. Die vier neuen Essays des bedächtig formulierenden Schriftstellers führen wieder an die Ränder Europas: in das ethnisch unbestimmte Moldawien, auf die Spuren des außerhalb seines Landes fast vergessenen Jahrhundertschriftstellers Miroslav Krleža in Zagreb, in die Heimat seiner Mutter bei Novi Sad und nach Bulgarien, das Land monumentaler Denkmäler und karger Gegenwart. Diesmal geht es weniger darum, dem deutschsprachigen, nach Westen blickenden Lesepublikum die andere Hälfte Europas als unzweifelhaften Teil des gemeinsamen Kontinents zu entdecken. Die diesmaligen, wie immer an Gesprächssituationen und Eindrücken reichen Fahrten sind dem Erinnern an frühere Reisen, an den Anschein einer besseren Welt vor 1989/90 und einer vom Vergessen geprägten Zukunft gewidmet: "[…] dieser Versuch, erinnernd, halluzinierend, schreibend die ausgelöschte Welt noch einmal zu erschaffen, ein Versuch, der niemals gelingen kann und niemals zu Ende kommen darf." (S. 96) Eine Tücke auf dem Weg zur Erinnerungskultur: Wer sich selbst auf die Reise begeben möchte (oder die besuchten Orte und Menschen einfach nur nachschlagen will), muss damit rechnen, die Ziele nicht direkt zu erreichen, denn die Schreibung der zahlreichen Eigen- und Personennamen ist nicht konsequent und immer wieder fehlerhaft, v.a. beim Kapitel über Bulgarien. Trotzdem: Ein Buch, das die Reiselust in den Osten, in den Süden und in eigene Erinnerungen weckt.

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Personen: Gauß, Karl-Markus

Schlagwörter: Bulgarien Wojwodina Zagreb Republik Moldau