In einer dänischen Kleinstadt werden rothaarige Mädchen ermordet, bevor ihnen die altnordische Rune Ansuz eingeritzt wird. Ein noch nicht stattgefundener Mord gleicher Art verfolgt die 17jährige Anne in ihren Träumen. Eigentlich kann sie die Zukunft nicht sehen – wohl aber Vergangenheit und Auren anderer Menschen. Von Pflegefamilie zu Pflegefamilie weitergereicht und nach einer Zeit in Jugendhaft wegen einer Schlägerei, begegnet die Ich-Erzählerin jedem mit Misstrauen. Am Beginn des neuen Schuljahres, überrascht von der Herzlichkeit der Schulkollegin Luna, deren Eltern ihre Eltern kannten, taut das Mädchen langsam auf und schließt auch andere Freundschaften. Nicht zufällig stellt sie bald fest, dass auch diese – und so einige andere um sie herum – übernatürliche Fähigkeiten besitzen. Und nicht zufällig heißt das Haus, das ihr frühzeitig aus dem Erbe ihrer Eltern überlassen wird, Odinshöhe. Denn Ansuz als Zeichen für die Götter, stellt sich bald als Schlüssel heraus. Als der Asenglauben vom Katholizismus verdrängt wurde, wurde die Realitätsebene Hrafnheim geschaffen, die das Weiterbestehen der Götter, das ungehinderte Praktizieren der Religion und das Umsiedeln phantastischer Wesen ermöglichen sollte. Anne wurde in einen politischen Umsturz dort hineingeboren und wird nun verfolgt, um eine Prophezeiung zu verhindern. Das häufige Motto phantastischer Texte „Alle Geschichten sind wahr“, wird von Sølvsten umgesetzt: Zahlreiche Elemente nordischer Mythologie und anderer Phantastik, wie Hexen, Demigötter, Berserker und Geister finden Eingang in die real-fiktionale Welt, die erst im zweiten Teil der Trilogie von der phantastischen abgelöst werden wird. Geschickt baut die Autorin in „Ansuz – Das Flüstern der Raben“ einen Handlungsraum auf, in dem die Regel, dass phantastische Wesen nicht über die Angelegenheiten anderer phantastischer Wesen sprechen, dazu führt, dass Anne sich sehr langsam an die Hintergründe der Morde und auch die ihrer Familiengeschichte herantasten muss. Wer der gedungene Mörder ist, wird subtil vorbereitet und ist für eine Überraschung gut. Die Stärken des Textes liegen aber weniger im Bereich der Thrillerspannung oder der Romantik, als dem Aufbau eines weiten Netzes an interessanten Figuren, mythischen Verknüpfungen und Alltagskomik mit trockenem Humor.
Personen: Hüther, Franziska Carl, Justus Sølvsten, Malene
Sølvsten, Malene:
Ansuz / Malene Sølvsten. Aus dem Dän. von Justus Carl und Franziska Hüther. - Dt. Erstausg. - Zürich : Arctis, 2021. - 799 S.
ISBN 978-3-03880-047-7
Schöne Literatur - Signatur: Sølvs - Buch